ZusammenfassungBerufliche Qualifizierung gilt international gemeinhin als Garant für nachhaltige Erwerbsarbeit von Geflüchteten. Seit der erhöhten Fluchtzuwanderung im Jahr 2015 hat sich das Feld beruflicher Qualifizierung in Deutschland erheblich ausdifferenziert. Trotz hoher Erwerbsambitionen und bestehender Qualifizierungsbedarfe landen geflüchtete Frauen bisher jedoch kaum in qualifizierter Erwerbsarbeit oder beruflicher Ausbildung. Dieser Beitrag bearbeitet den Zusammenhang zwischen beruflicher Qualifizierung und Arbeitsmarktsegmentierungen am Beispiel fluchtmigrierter Frauen in Deutschland, indem er segmentationstheoretische Ansätze und deren jüngeren feministisch-sozialkonstruktivistischen Erweiterungen auf das Berufsbildungssystem überträgt und mit empirischen Befunden unterfüttert. Anhand von qualitativem Interviewmaterial mit Akteur:innen in Arbeitsverwaltung und Trägerorganisationen von Arbeitsmarktintegrationsprojekten werden verschiedene Zuweisungspraxen rekonstruiert, die 1) aus symbolischen Auf- und Abwertungen beruflicher Qualifikationen bestehen und 2) durch Einschätzungen von (nicht) vorhandenen Qualifizierungsoptionen charakterisiert sind. Der Artikel illustriert, wie das Zusammenspiel aus geschlechtsspezifisch-rassifizierenden Zuschreibungen und der Strukturiertheit vorhandener Berufsbildungs- und Arbeitsmarktinstitutionen die Positionierung der Gruppe am unteren Ende der Arbeitsmarkt- und Ausbildungshierarchie nach sich zieht. In der Folge erfahren geflüchtete Frauen eine Zuweisung in Richtung De‑, Dis- oder Sonderqualifizierung, die in unqualifizierte, prekäre (feminisierte und migrantisierte) Anlern- und Hilfsjobs auf dem segmentierten Arbeitsmarkt kanalisiert und eine unsichere berufs- und ausbildungsvorbereitende Übergangsphase der Gruppe verlängert. Der Beitrag beleuchtet damit die bislang wenig erforschte Frage, was als berufliche Qualifikation und insofern förderliche Qualifizierung im Kontext von Flucht gilt (oder nicht). Aufgrund gegenwärtiger Ausbaupläne beruflicher Weiterqualifizierung in Deutschland nach österreichischem Vorbild ist dies eine zunehmend relevante Frage.