ZusammenfassungDem Beitrag geht es um zwei Aspekte des Protokolls, die über seine direkte Funktion hinausgehen. Dies sind erstens die durchaus emotionale Geste, die je nach Kontext vom vermeintlich so nüchternen Protokoll oder genauer vom Akt des Protokollierens vollführt wird. In Verbindung damit steht zweitens zur Debatte, inwiefern die Logik des Protokolls, sein Anspruch auf Wahrheit sowie auf ihre prinzipiell mögliche Weiterverhandlung in einer erweiterten Öffentlichkeit, spannungsvoll mit der Grundstruktur literarischer Ästhetik verbunden sind. Strukturell geraten dadurch zwei Probleme protokollbasierter Verfahren in den Blick: einerseits wie das Ziel des Protokolls, Mitteilbarkeit und Weiterverhandlung zu generieren, durch den Duktus formaler Nüchternheit und apolitischer Unmittelbarkeit, durch sein anästhetisches Format, konterkariert wird; und andererseits inwiefern Literatur das Protokoll durch das Ausspielen der ästhetischen Karte für die wesentlich erforderte Weiterverhandlung öffnen und dadurch in eigener Sache einen Gültigkeitsanspruch außerhalb der eigenen literarischen Sphäre behaupten kann.