Diskriminierung und das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit Discrimination and the criterion of group membership hauKe behrendt, stuttgart Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Rolle das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit (KdG) für ein sinnvolles Verständnis von direkter Diskriminierung spielt. Dafür werden zunächst die Gründe rekonstruiert, die für die Einführung des KdG sprechen. So sind Definitionen des Diskriminierungsbegriffs, die nur auf die (unterstellte) Unterschiedlichkeit von Individuen abheben, zu weit. Auch die Einführung eines Relevanzkriteriums schafft keine Abhilfe, wie anhand einschlägiger Beispiele belegt wird. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird ein Argument entwickelt, wonach Diskriminierung als Spezialfall ungerechter Benachteiligung anzusehen ist, die auf der (näher zu bestimmenden) Gruppenzugehörigkeit der Diskriminierten beruht. Die These lautet: Mit dem Diskriminierungsbegriff werden genau diejenigen Sachverhalte komparativer Benachteiligung eingefangen, in denen Gruppenzugehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal fungiert. Das KdG greift damit eine besondere Kategorie von Gründen heraus, nämlich gruppenbezogene, die zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nicht herangezogen werden dürfen. Dafür muss dem KdG allerdings eine ganz bestimmte klassifikatorische Deutung gegeben werden, die den Begriff der sozialen Gruppe spezifiziert. In seiner unqualifizierten Form beinhaltet es eine Ambiguität: So lässt sich der Passus "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" sozialontologisch zum einen in einem realistischen, zum anderen in einem klassifikatorischen Sinn verstehen. Während Gruppen nach der realistischen Deutung als organisierte Zusammenschlüsse von mehreren Akteuren bestimmt werden, wie Fanclubs, Reisegruppen, Orchester usw., stellen sie nach der klassifikatorischen Deutung Klassifikationen von Individuen dar, die anhand übereinstimmender Merkmale in verschiedene sozial bedeutsame Kategorien, wie Gender, Class oder Race, unterteilt werden. Die These lautet, dass die klassifikatorische Deutung mehr Überzeugungskraft besitzt, weil sie zu starke Forderungen an die Konstitutionsbedingungen von Gruppen vermeidet, was unplausibel viele In-156 Diskriminierung und das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit stanzen offensichtlicher Diskriminierung ausschließen würde. Auf der anderen Seite ist das KdG auf Realgruppen als alleiniges Diskriminierungsmerkmal bezogen aber nicht einmal hinreichend. Dies verdeutlichen Gegenbeispiele, in denen Realgruppenzugehörigkeiten eine ungleiche Behandlung rechtfertigen, wie u. a. im Fall von Vereinsmitgliedschaften. Aus diesen Überlegungen folgt, dass wir das KdG im Sinne eines klassifikatorischen Diskriminierungsbegriffs spezifizieren sollten.