Im November des Kriegsjahres 1915 ist die Allgemeine Relativitatstheorie mit der endgiiltigen Aufstellung der Feldgleichungen der Gravitation vollendet worden. In seiner Mitteilung ,,Die Feldgleichungen der Gravitation" an die PreuRische Akademie der Wissenschaften vom 25. 11. 1915 schreibt Einstein dariiber im SchluRabschnitt der Arbeit: ,,Damit ist endlich die allgemeine Relativitatstheorie als logisches Gebaude abgeschlossen. Das Relativitatspostulat in seiner allgemeinsten Fassung, welches die Raumzeitkoordinaten zu physikalisch bedeutungslosen Parametern macht, fiihrt mit zwingender Notwendigkeit zu einer ganz bestimmten Theorie der Gravitation, welche die Perihelbewegung des Merkur erklart." [l] In vorangehenden Arbeiten war von Einstein bereits auf zwei andere solar-relativistische Effekte, die Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne und die Rotverschiebung der von der Sonne emittierten Spektrallinien, als notwendige Folgen der neuen Gravitationstheorie hingewiesen worden. Die quantitative Erklarung des Vorriickens des Merkurperihels um den seit Leverrier bekannten, aus den Storungen der Merkurbahn durch andere Planeten nicht erklarbaren Betrag (43" pro Jahrhundert) sowie die wenigstens qualitative Bestatigung der vorausgesagten Lichtablenkung durch zwei englische Expeditionen bei der Sonnenfinsternis 1919, die Einsteins popularen Ruhm begriindete, sprachen schon fruh zugunsten der Theorie. Fur Einstein selbst waren es freilich weit mehr der ihm zwingend erscheinende Aufbau und die Durchsichtigkeit der Theorie, die ihn keinen Augenblick an seiner Konzeption zweifeln lie-Ren. Er auRert sich hierzu schon 1915 (zu einer Zeit, da die Theorie noch nicht ihre endgiiltige Gestalt angenommen hatte) mit den Worten: ,,Dem Zauber dieser Theorie wird sich kaum jemand entziehen konnen, der sie wirklich erfaRt hat; sie bedeutet einen wahren Triumpf der durch Gaup, Riemann, Christoffel, Ricci und Levi-Civitd begriindeten Methode des absoluten Differentialkalkuls." [2] Heute zweifelt niemand mehr an der oberlegenheit der Einsteinschen Gravita-* 7800 FreiburglBr. Prof. Dr. Helmut H o d , Kapellenweg l a , tionstheorie gegenuber der Theorie Newtons fiir die praktischen Aufgaben der Astronomie und Physik. Die Einsteinschen Feldgleichungen der Gravitation bedeuten den groRten Schritt, den die Theorie von Raum, Zeit und Gravitation seit Newtons ,,Prinzipien" gemacht hat. Uns sol1 hier die Frage beschaftigen, in wieweit die Motive, die Einstein bei der Aufstellung der Allgemeinen Relativitatstheorie vorgeschwebt haben, einer Kritik heute noch standhalten. 1. Einsteins drei Axiome 1918, zwei Jahre nach dem formalen AbschluR seiner Theorie [3], hat Einstein in einer knappen Arbeit ,,Prinzipielles zur allgemeinen Relativitatstheorie" die Prinzipe oder ,,Axiome", die ihn bei der Entwicklung seiner Theorie geleitet haben, noch einmal zusammengestellt und erlautert [4]. Diese Arbeit ist eine Entgegnung auf Einwande von E. Kretschmann [5], die dieser hinsichtlich der Bedeutung des Kovarianzprinzips bei der Aufstellung der Relat...