Das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das weite Bereiche der Fortpflanzungsmedizin regelt und ihr dabei zum Teil äußerst enge Grenzen setzt, ist seit seinem Inkrafttreten (01.01.1991) inhaltlich nicht verän-dert worden (die einzige Änderung betraf die formale Umstellung auf Euro). Es ist auch nicht abzusehen, dass eine Novellierung in naher Zukunft erfolgen wird. Umso dringlicher stellt sich die Frage, in welchem Umfang die heutige Rechtswissenschaft der deutschen Fortpflanzungsmedizin dabei helfen kann, Patientinnen und Patienten so weit wie möglich gemäß dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens behandeln zu dür-fen. Eines der zentralen Anliegen der Fortpflanzungsmedizin besteht darin, bei einer In-vitro-Fertilisation innerhalb eines Zyklus einerseits eine möglichst hohe Schwangerschaftsrate zu erreichen, andererseits aber eine Mehrlingsschwangerschaft so weit wie möglich zu verhindern. Denn eine Mehrlingsschwangerschaft beinhaltet ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die austragende Frau und für die Embryonen/Feten/Neugeborenen [3], sodass man sie nicht selten durch die so genannte Mehrlingsreduktion, genauer: durch den intrauterinen Fetozid, beendet. Ein solcher Fetozid ist jedoch mit schweren ethischen und rechtlichen Problemen belastet und steht im Widerspruch zu ärzt-lichen Grundsätzen [1, 14, 22]. Andererseits erhöht aber der Transfer von mehreren Embryonen die Nidationsrate erheblich [4] -sofern man nicht aus einem Vorrat von Embryonen denjenigen auswählen kann, der sich vergleichsweise am besten entwickelt und bei dem deshalb auch die Hoffnung am höchsten ist, dass er zu einer erfolgreichen Schwangerschaft führt.
Elektiver Single-EmbryoTransfer als GoldstandardIm Ausland wird der elektive Single-Embryo-Transfer (eSET) erfolgreich praktiziert. Damit kann eine Schwangerschaftsrate von bis zu 50% bei gleichzeitig erheblicher Senkung der Mehrlingsbildung gewährleistet werden [5,10,16,17]. Beim eSET werden die Eizellen in den verschiedenen Stadien vor und nach In-vitro-Befruchtung auf ihre regelmäßige und zeitgerechte Entwicklung "morphologisch" (bezüglich ihrer Gestalt) bewertet (sog. Eizell-, Vorkern-und Embryoscoring). Ziel ist es, denjenigen Embryo zu ermitteln, der ein optimales Entwicklungspotenzial besitzt; nur dieser wird übertra-gen. Wegen der Embryonenauswahl handelt es sich zugleich um ein "selektives" Verfahren. Deshalb wird nicht selten auch vom "selective single embryo transfer" (sSET) gesprochen [17]. Die Kultivierung der Embryonen erstreckt sich über eine Dauer von 2 bis 6 Tagen. Diese Methode basiert auf reiner Beobachtung und ist daher nicht mit der Präimplantations-diagnostik (PID) zu verwechseln, bei der ein Eingriff (Abspaltung und Verbrauch einer embryonalen Zelle mit möglichem Verbrauch des Embryos) erfolgt [12,22]. Bei dem genannten Embryoscoring deuten z. B. verzögerte Zellteilungen, ungerade Zellzahlen, verschiedene Zellgrößen oder stärkere Fragmentierungen auf eine voraussichtlich eingeschränkte oder sogar fehlende Entwicklungsfähigkeit des Embryos hin [1,18]. Umgekehrt führen Zy...