Diskussionen mit Juristen lassen Mediziner zuweilen etwas ratlos und frustriert zurück. Während Mediziner zukunftsgewandt von den Chancen neuer Entwicklungen schwärmen, zeigen sich Juristen als konservative Bedenkenträger, die abwinkend auf die bestehende Rechtslage verweisen. Die Diskrepanz zwischen Fortschritt und Beharren ist offenkundig, wenn sich auf der einen Seite die Entwicklung mit rasender Geschwindigkeit vollzieht, auf der anderen Seite die gesetzlichen Regelungen keine Öff-nungsklauseln enthalten. Als besonders innovationsfeindlich stellt sich dabei zwangsläufig das Strafrecht dar, da die Forderung nach größtmög-licher Bestimmtheit der Straftatbestände jeder Flexibilität enge Grenzen setzt. Ein Beispiel für diesen Konflikt zwischen Moderne und Tradition ist das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das mangels einer entsprechenden Kompetenz als Strafgesetz erlassen worden ist.
Probleme mit dem EmbryonenschutzgesetzAktuell geht es um den Versuch, die Erfolgsrate der In-vitro-Fertilisation durch eine Vorauslese der zu implantierenden Embryonen zu verbessern. Um ein derartiges Verfahren überhaupt sinnvoll anbieten zu können, müsste zuvor die sog. "Dreierregel" fallen. Bislang ist es in Deutschland üblich, im Rahmen der In-vitro-Fertilisation maximal 3 Eizellen einer Frau zu befruchten und ihr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG zu implantieren. Die im Verhältnis zu "natür-lichen" Schwangerschaften signifikant hö-here Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft wird in Kauf genommen, um eine sinnvolle Schwangerschaftsrate zu erzielen. In ausländischen Kliniken werden dagegen 6-8 Eizellen befruchtet, die dann auf ihre Güte untersucht werden kön-nen. Mehrere Untersuchungsmethoden stehen dafür zur Verfügung. Die genauesten Erkenntnisse liefert die in Deutschland rechtlich und ethisch äußerst umstrittene Präimplantationsdiagnostik. 1 Weniger diskutiert wird die Polkörperdiagnostik, die in der Präfertilisationsphase vor der Bildung des Embryos durchgeführt wird. 2 Auf diese Weise können genetische Auffälligkei-ten des mütterlichen, nicht aber des väterli-chen Genoms erkannt werden. Schließlich kann man die Embryonen morphologisch unter dem Mikroskop auf ihre Qualität hin untersuchen -eine Möglichkeit, an die die Verfasser des ESchG noch nicht gedacht hatten. Implantiert man nur den Embryo mit den besten Entwicklungsmöglichkei-ten, so werden 2 Ziele zugleich erreicht: Die Erfolgsquote der In-vitro-Fertilisation wird verbessert; gleichzeitig wird die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft deutlich verringert. Warum also weiter in Deutschland nach überholten Methoden behandeln, wenn es woanders längst besser gemacht wird? 3
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