Zusammenfassung
Hintergrund
Betriebsärzt:innen haben den Auftrag, Arbeitgeber:innen bei der Beurteilung von Arbeitsbedingungen und beim Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu beraten und zu unterstützen. Das gilt auch für die Gefährdung durch psychische Arbeitsbelastungen. Während sich diese Erwartung klar aus den entsprechenden Bestimmungen ergibt, ist dagegen weniger klar, wie sich die betriebsärztliche Praxis tatsächlich gestaltet.
Methodik
Mithilfe einer Literaturrecherche sowie 6 leitfadenstrukturierten Interviews mit praktisch tätigen Betriebsärzt:innen wurde 2021 exploriert, welchen Stellenwert die psychische Belastung in der arbeitsmedizinischen Vorsorge und Beratung hat, welcher Zugang zur Gefährdungsbeurteilung vorliegt und welche Voraussetzungen, förderlichen Bedingungen und Hemmnisse die Arbeit auf diesem Feld prägen.
Ergebnisse
Es gibt für Betriebsärzt:innen klare Empfehlungen und Leitfäden zur Befassung mit psychischer Belastung bei der Arbeit. Den (wenigen) verfügbaren Studien zufolge werden psychische Belastungen in der arbeitsmedizinischen Praxis jedoch nicht systematisch adressiert. Auch die Interviews mit den Expert:innen deuten auf eine schwache Kopplung von Empfehlung und Umsetzung hin. Das „Ob und Wie“ der Beschäftigung mit psychischen Belastungen zeigt sich stark vom Selbstverständnis des einzelnen Betriebsarztes/der einzelnen Betriebsärztin abhängig.
Diskussion
Die Interviews und Literatur lassen vermuten, dass das Potenzial der arbeitsmedizinischen Beratung und Vorsorge für das Thema „psychische Belastung“ (noch) nicht systematisch erschlossen und genutzt wird. Die vorgelegten Studienergebnisse können weitere Forschung anstoßen und über das bessere Verstehen betriebsärztlicher Haltungen dazu beitragen, praktische Maßnahmen wie die Gefährdungsbeurteilung weiter zu etablieren.