Die zunehmende Erfahrung in der offenen Herzchirurgie läßt immer mehr Zweifel an der theoretischen Feststellung aufkommen, der Herzmuskel sei ein exzeptionell sauerstoffempfindliches Gewebe. Diese scheinbare Diskrepanz zwischen experimentell gefundenen Daten und den Erfahrungen am Menschen dürfte aber nicht zuletzt deswegen entstanden sein, weil die meisten experimentellen Untersuchungen über die Anoxietoleranz des Herzens am Druck-und Volumen-Arbeit leistenden Herzen vorgenommen wurden, während bei einer extrakorporalen Zirkulation energetisch völlig anders gelagerte Verhältnisse vorliegen. Solche Überlegungen müssen nicht zuletzt deswegen wieder angestellt werden, weil in den letzten Jahren von verschiedenen Arbeitsgruppen Berichte über langdauernde komplikationslos tolerierte Ischämiezeiten vorliegen, die weit das theoretisch vertretbare Ausmaß übersteigen (9, 10, 11, 26).Sicher ist, daß trotz aller neuen Ergebnisse die normale Koronardurchblutung eine optimale Protektion des Herzens vor einem ischä-mischen Gewebsschaden während eines intrakardialen Eingriffes darstellt. Dieser Idealzustand ist jedoch nicht immer einzuhalten, da verschiedene Eingriffe zumindest zeitweise ein weitgehend blutleeres Operationsfeld erfordern. Um den chirurgisch-technischen Erfordernissen gerecht zu werden, wurden einerseits die selektive Koronarperfusion einer oder beider Koronararterien (17) und andererseits die verschiedenen Formen des induzierten Herzstillstandes entwickelt. Die Herzstillegung erfolgt dabei entweder durch Ischämie (32,33), durch allgemeine oder lokale Hypothermie (8, 29), durch verschiedene Pharmaka, wie Kaliumchlorid, Kaliumeitrat, Acetylcholin, Mecholyn, Magnesium und Procain oder durch elektrische Fibrillation. Von allen diesen Methoden werden heute allerdings nur zwei bevorzugt angewendet: der ischämische Herzstillstand und die elektrische Fibrillation bei natürlicher oder künstlicher Koronarperfusion. Wir haben uns im folgenden die Aufgabe gestellt, die Vor-und Nachteile der Koronarperfusion, welche das Myokard vor den Folgen der Ischämie schützt, und des ischämischen Herzstillstandes aufzuzeigen, die Wertigkeit der beiden Methoden gegeneinander abzuwägen, und wollen darüber hinaus versuchen, deren spezielle Indikationen abzugrenzen.Es ist vorauszuschicken, daß alle unsere Überlegungen sich auf länger dauernde Perioden einer operativ bedingten Unterbrechung der koronaren Blutzufuhr beziehen, da nach den Angaben der Literatur übereinstimmend feststeht, daß der Herzmuskel während einer extrakorporalen Zirkulation mit weitgehender Arbeitsentlastung eine kurzdauernde Unterbrechung der Koronardurchblutung ohne jeden Nachteil toleriert. Die obere Grenze dieser sozusagen »belanglosen« Koronarischämie kann man in Normothermie mit ungefähr 8 bis 10 Minuten limitieren, wobei mit sinkender Körpertemperatur bzw. Myokardtemperatur entsprechend einem Q 10 = 2 des Herzens län-gere Zeiten störungsfrei vertragen werden. Bei der Korrektur der meisten angeborenen Herzfehler wird man auch mit dieser Zeit auskommen, wie an Han...