Die androgenetische Alopezie (AGA, erblich-bzw. hormonbedingter Haarausfall [MIM 109200; MIM 300710; MIM 612421]) ist die häufigste Form des Haarverlusts beim Menschen und betrifft in erster Linie Männer [26]. Frauen kön-nen ebenfalls eine AGA entwickeln [42, 59], sind jedoch deutlich seltener betroffen. Die AGA ist von Haarlosigkeiten abzugrenzen, die als Symptom einer anderen Grunderkrankung auftreten. Hierzu zählen das polyzystische Ovariensyndrom (PCOS), auch bekannt als Stein-Leventhal-Syndrom, oder die myotone Dystrophie [11, 43]. Schon früh konnte die genetische Anlage als maßgebliche ätiolo-gische Komponente für die AGA herausgestellt werden [24, 25]; Androgene sind dabei ein notwendiger Manifestationsfaktor. Der Einfluss von Umweltfaktoren wurde ebenfalls diskutiert [53, 73], ihr Beitrag wird aber -wenn überhaupt vorhanden -als äußerst gering eingeschätzt [56]. Im vorliegenden Beitrag soll ein Über-blick zu den aktuellen Erkenntnissen der AGA gegeben werden. Physiologie des Haarwachstums Haare wachsen nicht kontinuierlich, sondern in Zyklen. Ein Zyklus besteht aus einer Wachstumsphase (Anagen), einer Übergangsphase (Katagen) und einer Ruhephase (Telogen) und endet mit dem Ausfall des Haares (Exogen) [74]. Bei der AGA sind 2 Phasen des Haarzyklus verän-dert: das Anagen, welches normalerweise mehrere Jahre andauert, ist bis auf wenige Monate verkürzt, und das Telogen (inklusive Exogen), welches für gewöhnlich nur 3-4 Monate umfasst, ist deutlich verlängert und kann mehrere Jahre dauern [15, 40]. Als Konsequenz dieser Phasenverschiebungen befinden sich mehr Haare im Telogen als im Anagen [84, 85]. Die Haarfollikel inklusive der Dermalpapillen verkleinern sich (Miniaturisierung) [63, 72, 86]. Das Anagen verkürzt sich so sehr, dass ein neu wachsendes Haar (Miniaturhaar) nicht mehr die Kopfhautoberfläche erreicht und nur eine Pore sichtbar bleibt [72]. Als Konsequenz ergibt sich eine reduzierte Dichte des Haupthaares [18]. Die Ursachen für die veränderte Dynamik des Haarzyklus und für die Miniaturisierung des Haarfollikels sind noch nicht aufgeklärt, es wird jedoch vermutet, dass die Miniaturisierung der Dermalpapille zur Verkleinerung des gesamten Haarfollikels führt [57].
KlinikBis zum Alter von 70 Jahren sind nahezu 80% der europäischen Männer von einer AGA betroffen [5, 25]. Der Verlust von Terminalhaaren am Kapillitium kann bereits in der Pubertät beginnen und folgt dabei einem charakteristischen männ-lichen Muster ("male pattern") (. Abb. 1, [26]). Er beginnt an der frontalen Haargrenze mit Ausbildung der Geheimratsecken und setzt sich im zentralen Vertexbereich mit der Entwicklung einer Glatze fort. Beide betroffenen Areale weiten sich mit den Jahren aus und konfluieren. Der Haarverlust kann in maximaler Ausprä-gung bis zum Verbleib eines okzipitotemporalen Haarkranzes fortschreiten [25,55]. Bei Frauen mit AGA folgt der Haarverlust typischerweise dem weiblichen Muster ("female pattern") mit parietal betonter diffuser Ausdünnung, während die frontale Haarlinie erhalten bleibt [47,54]. Vor der Menopause s...