Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Band auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachform verzichtet. Alle Personenbezeichnungen gelten -wenn nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet -gleichwohl für sämtliche Geschlechter.
Konsequenzen des sozialen WandelsUnweigerlich kommt bei all dem die Facette des sozialen Wandels ins Spiel. Alles, was an Üblichkeiten, Regelwerken, Sichtweisen und kulturellen Mustern besteht, ist das Resultat eines »So-und-nicht-anders-geworden-Seins«, wie Max Weber schreibt (1988: 170f.). Es hat nicht von Anfang an existiert, sondern ist entstanden; und was entsteht, kann auch wieder vergehen. Wer Freude an naheliegenden Vergleichen hat, wird zustimmen können: Wie Leben entsteht und durch Sterben verschwindet, so tauchen auch die Produkte des gesellschaftlichen Zusammenlebens irgendwann auf, um sich später wieder zu verabschieden. Die Genealogie des Gewordenen impliziert nun eine Permanenz des Wandels. Mit anderen Worten: Wenn Dinge sich bis zum heutigen Stand hineinentwickelt haben, werden sie sich auch weiterentwickeln. Wenn sie nicht mehr existieren, ist das Maß ihres Entwicklungspotenzials ausgekostet (vielleicht nicht in einem philosophischen Sinne, aber allemal in empirischer Hinsicht).Gesellschaftliche Tatsachen sind niemals entkoppelt von der Zeitachse (Elias 1984) und lassen sich erst dann verstehen, wenn man ihre historischen Entstehungs-und Entwicklungsbedingungen berücksichtigt. Unser Untersuchungsfeld scheint uns ein gutes Beispiel zu sein, um das Wirken, vor allem aber die Mehrdeutigkeit des Wandels darzustellen. Die Beschäftigung mit Sterben, Tod und Trauer -mit einem thanatologischen Themenspektrum also -legt zu jedem historischen Zeitpunkt nahe, dass der soziale Wandel sich unabhängig von konkreten Fallkonstellationen auswirkt. Wie ein Mensch verabschiedet, beerdigt, betrauert oder vermisst wird, und sogar, ab wann er als tot gilt (Benkel/Meitzler 2018) -und wie sehr -, ist abhängig von der Zeit, dem Ort, der einrahmenden kulturellen Prägung und, mittlerweile, mehr und mehr von der individuellen Disposition derer, die verabschieden, beerdigen, trauern und vermissen.Sozialer Wandel steht für die Veränderungen in der menschlichen Mentalität über Sachverhalte, die zuvor anders gehandhabt wurden. Sowohl das Jetzt wie auch das Früher erscheinen zum jeweiligen Geltungszeitpunkt als ›richtig‹ oder ›angemessen‹, und dies nicht, weil entsprechende Definitionen es diktiert haben -sondern vielmehr, weil sich bestimmte Einstellungen aus dem gesellschaftlichen Umgang heraus ergeben haben. Dass Macht, Unterdrückung, Steuerung, Zufall, ja auch Fehler, Katastrophen und Krisen kausal für eigenwillige Richtigkeits-und Angemessenheitsdiskurse gewesen sind bzw. ihren Beitrag zu Veränderungen geleistet haben, ist unbestreitbar. Dennoch ist der soziale Wandel nicht mit Vulkanausbrüchen, Kometeneinschlägen oder Überschwemmungen zu vergleichen: Es geht nicht nur um Unausweichliches, sondern um Entwicklun-Trauer in Zeiten gesellschaftlicher Transformation