käfern mindestens so hoch ist wie in den Blättern der Futterpflanze, fragten sich die Wissenschaftler, ob sich den Käferlarven damit eine neue Option der Abwehr von Feinden eröffnet, zu denen auch die räuberischen Larven des asiatischen Marienkäfers (Harmonia axyridis, Abbildung 2) gehören. Wurden diesen im Experiment Larven des Meerretticherdflohs angeboten, die Senfölglykoside mit ihrer Nahrung zu sich genommen hatten, hörten die Marienkäferlarven schon nach wenigen Sekunden auf zu fressen, und jede dritte von ihnen erbrach die aufgenommene Mahlzeit. Da die Räuber nach dem Kontakt mit Gift enthaltenden Erdflohkäferlarven schnell lernten, die Artgenossen zu meiden, konnten mehr als zwei Drittel von ihnen überleben. Dagegen wurden Larven, die ernährungsbedingt wenig Senfölglykoside enthielten, von den Marienkäfern bereitwillig gefressen, und 90 Prozent dieser Erdflohkäferlarven überlebten den Angriff nicht. Solche Fütterungsexperimente bestätigten auch die toxische Wirkung der Senfölglykoside auf die Marienkäferlarven. Demnach setzen die Larven der Erdflohkäfer das Gift ihrer Futterpflanze als chemische Waffe für die Abwehr der eigenen Feinde ein. Allerdings wird dadurch nicht jede einzelne Larve geschützt, denn nur wenn einige von ihnen dem Angriff der Räuber zum Opfer fallen, kann die gesamte Population von dem so ausgelösten Lernprozess profitieren. Überraschend war, dass die Marienkäferlarven Eier, Puppen oder ausgewachsene Erdflohkäfer unbeschadet fressen konnten, obwohl diese deutlich mehr Senfölglykoside enthielten als die Erdflohkäferlarven. Und wenn die Räuber die Wahl hatten, bevorzugten sie stets die Puppen vor den Larven. Dieses Paradox erklärten die Wissenschaftler damit, dass vor allem die Larven des Erdflohkäfers in der Lage sind, die Glykoside zu spalten und Senföle freizusetzen, denn sie besitzen etwa 43fach mehr von der dafür benötigten Myrosinase. Deren Aktivität war unabhängig von der aufgenommenen Nahrung und selbst dann nachweisbar, wenn die Larven auf einer Mutante als Futterpflanze gezüchtet wurden, die das pflanzeneigene Enzym nicht bilden konnte. Die Erdflöhe beziehen also nur die Senf-öle von der Futterpflanze. Die zweite Komponente ihrer Abwehrstrategie produzieren die Larven selbst, um die Waffe zu schärfen. Dass dies nur die Larven tun, nicht aber die ausgewachsenen, zum Sprung bereiten Käfer, ist eine bemerkenswerte Anpassung an den durch räuberische Feinde ausgeübten Selektionsdruck. Eine spannende Frage bleibt noch zu lösen: Auch beim Erdflohkäfer werden wie bei den Pflanzen die toxischen Senföle nur nach Verletzungen freigesetzt. Demnach speichert auch der Erdfloh die Senfölglykoside räumlich getrennt von der körpereigenen Myrosinase. Im Experiment lassen sich die beiden Komponenten in Kontakt bringen, indem die Hämolymphe eingefroren und wieder aufgetaut wird, um die darin enthaltenen Zellen zum Platzen zu bringen. Wie der entsprechende Vorgang im Darm des räuberischen Insekts innerhalb kürzester Zeit abläuft, ist bislang noch unklar. Literatur [1] T. Sporer et al., Functional ...