Hintergrund : Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene genetische Erkrankung mit rezidivierenden Schwellungen der Schleimhäute und der Haut. Es wird durch Bradykinin vermittelt und kann praktisch jeden Teil des menschlichen Körpers betreffen, einschließlich des Gastrointestinaltrakts, der Extremitäten sowie des Kehlkopfs und des Rachens. Zur akuten und prophylaktischen Behandlung des HAE stehen sichere und wirksame Arzneimittel zur Verfügung. Aufgrund seiner unspezifischen Symptome und besonderen Manifestationen wird das HAE jedoch häufig verkannt und falsch behandelt. Insbesondere abdominelle Ödeme können einer Appendizitis oder Cholezystitis ähneln, weshalb sie häufig unnötig chirurgisch behandelt werden. Wir haben eine Fragebogen-Studie zur Quantifizierung dieses Problems durchgeführt. Patienten und Methoden: Es wurden Fragebögen für HAE-Patienten und Probanden ohne HAE entworfen. Das Verhältnis von Patienten zu Kontrollpersonen betrug 1: 2. Ergebnisse : Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wird bei HAE-Patienten eine signifikant höhere Zahl invasiver diagnostischer und therapeutischer Interventionen durchgeführt. Unsere Studie zeigt, dass bei HAE-Patienten die Wahrscheinlichkeit abdominalchirurgischer (wie gynäkologischer und urologischer) Eingriffe 2,5mal höher ist als bei Probanden ohne HAE (p = 0,007). Die Zahl der Operationen pro Patient korrelierte mit dem Zeitraum (Anzahl der Jahre) zwischen Einsetzen der Symptome und Diagnose stellung (Korrelationskoeffizient 0,511; Spearman). Außerdem wurden bei HAE-Patienten doppelt so viele Appendektomien durchgeführt (18,9 % vs. 37.7 %). Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass Gastroskopien bei HAE-Patienten 2,3mal häufiger waren als bei Kontrollpersonen ohne HAE (p = 0,003). Schlussfolgerungen : Patienten mit seltenen Krankheiten wie dem HAE leiden nicht nur an den Auswirkungen der Krankheit selbst. Die Krankheiten werden aufgrund mangelnden Wissens über solche Störungen und unspezifischer Symptome häufig jahrelang verkannt. Dies führt nicht nur zu falscher und wirkungsloser Behandlung, sondern auch zu unnötiger invasiver Diagnostik und Therapie. Daher ist es wichtig, Kenntnisse zu und Aufmerksamkeit gegenüber seltenen Krankheiten wie HAE zu stärken, um Diagnostik und Behandlung zu verbessern, das Leiden der Patienten zu minimieren und ihre Lebensqualität zu steigern.