ZusammenfassungSeit Jahren stehen Reformen der Akut- und Notfallversorgung auf der gesundheitspolitischen Agenda. So auch im aktuellen Koalitionsvertrag. Zur Einordnung der Ausgangslage werden ein inhaltlicher Rückblick sowie eine Analyse der Abrechnungsdaten aus der ambulanten und stationären Notfallversorgung vorgenommen. Folgt man der Hypothese, dass bisherige Reformansätze insbesondere auf einen Anstieg ambulant vertragsärztlich behandelbarer Fälle in der Notfallversorgung reagierten, muss die Fallzahlentwicklung in der Dekade bis zum Pandemiebeginn (2010–2019) zur Kenntnis genommen werden. Sie zeigt eine Stagnation der Fallzahl in Notaufnahmen und einen seit 2016 rückläufigen Trend insbesondere bei ambulanten Notfallbehandlungen durch Krankenhäuser. Dieser Effekt kann nicht zweifelsfrei auf bereits eingeführte Maßnahmen zur Patientensteuerung (Bereitschaftspraxen, Telefontriage) zurückgeführt werden. Die Analyse der Abrechnungsdiagnosen spricht dafür, dass eine klare Arbeitsteilung zwischen Bereitschaftspraxen und Notaufnahmen besteht. Die konsistente Verlagerung der Fälle hochbetagter Patienten in die ambulante Versorgung durch Notaufnahmen legt aber eine notwendige Weiterentwicklung dieser Arbeitsteilung nahe. Weitere Maßnahmen der Steuerung durch Weiterleitung von Patienten aus Notaufnahmen in die vertragsärztliche Versorgung müssen noch im Detail beschlossen und umgesetzt werden (§ 120 Abs. 3b Sozialgesetzbuch [SGB] V). In der Diskussion wird die Auffassung vertreten, dass Implementierung und Evaluation dieser Maßnahmen abgewartet werden sollten, bevor weitergehende Reformschritte ergriffen werden.