Zusammenfassung
Beginnend 2009 wurde der Ausbildungsmarkt in Deutschland für viele junge Geflüchtete mit dem prekären aufenthaltsrechtlichen Status der Duldung geöffnet. Voraussetzung für eine betriebliche Ausbildung bleibt aber eine Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde. Damit hat diese Institution zentrale Bedeutung bei der Implementation des teils geänderten Rechts.
Der Beitrag fokussiert auf diejenigen Geflüchteten mit Duldung, deren Identitätsangaben von (Ausländer-)Behörden zumindest teilweise angezweifelt werden und deren Ausbildung daher gefährdet ist. Er beleuchtet das bislang kaum erforschte Phänomen der ‚ungeklärten Identität‘ sowie dessen Hintergründe und arbeitet Faktoren heraus, die im Prozess der aufenthaltsrechtlichen Identitätsklärung im Kontext des Zugangs zu Ausbildung wirksam werden. Dieser Prozess kann bei diesen Geflüchteten zentral für die (Nicht-)Erteilung der Beschäftigungserlaubnis beziehungsweise – allgemeiner – für die (Nicht-)Überwindung ungleichheitserzeugender rechtlicher Kategorisierungen sein. Damit können längerfristige gesellschaftliche Einschlüsse bis hin zur Einbürgerung und Ausschlüsse bis hin zur Abschiebung einhergehen. Empirische Basis des Beitrags bilden Experteninterviews in Ausländerbehörden als institutionelle gatekeeper, ergänzt durch leitfadengestützte Interviews und Gruppendiskussionen mit Expertinnen und Experten aus Beratungsstellen und dem Schulsystem sowie rechtliche Dokumente (z. B. Gesetzestexte, Verordnungen). Die Inhaltsanalysen verweisen auf eine komplexe und miteinander verzahnte Gemengelage ungleichheitserzeugender wie -abbauender Dimensionen, die vor Ort in Ausländerbehörden unterschiedlich zum Tragen kommen und bearbeitet werden. Daraus resultieren hochgradig ungleiche Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken dieser jungen Menschen in der Hierarchie der civic stratification.