In den ersten Jahren der nach der Entdeckung des Neutrons moglich gewordenen Quantentheorie des Kernaufbaus rechnete man zuntichst stets nach dem Vorbild der Elektronenhiillemit nahezu individuellen ,,Nukleonenbahnen", d, h. man setzte die gesamte Wellenfunktion !P(rl, , . ., r,,) des Kerns in erster Naherung gleich einem antisymmetrisierten Produkt yon Einteilchenfunktionen yi (r,) mit i = 1, . . ., A und Y = 1, . . ., A. Jeder Wahl der vi (r) entspricht dabei ein bestimmtes mittleres Potential, in dem sich das Nukleon in der ersten Naherung bewegt. Die individuelle Wechselwirkung zwischen den Nukleoncn wird als kleine Stiirung betrachtet. Diese auch ds Schdenmodell bezeichnete HARTREE-FOCKsche Naherung wurde oftwie in der Elektronenhiilledurch weitergehende statistische Annahmen zu der THOMAS-FERMIschen Naherung spezialisiert. Dabei wird der Atomkern als ein stark entartetes Gemisch zweier FERMI-DImc-Gase behandelt, die sich in einem auDeren Krraftfeld befinden. Das mittlere Feld ist in guter Niiherung durch ein Kastenpotential vom Radius R = roA'I. mit ro = 1,4 -10-*8cm gegeben; die Kastentiefe V, betragt ungefahr 30 MeV. Diese Einteilchen-Modelle waren hesonders geeignet zur Diskussion der Bindungsenergien (I). In der Theorie der Streuung an Atomkernen (und der erzwungenen Kernreaktionen) entspricht dieser Naherung das sogenannte ,,optische Modell" (2)-(5). Dabei nimmt man als erste Naherung an, daD der Kern auf das gestreute (bzw. absorbierte) Teilchen durch ein mittleres Potential Vopt(r) wirkt, das mit dem Potential des Schalenmodells im wesentlichen iibereinstimmen muD. Diese Vorstellung hatte sich bei der Behandlung der Streuung (bzw. Absorption) von Elektronen durch Atom-bzw. Ionenhullen als sehr erfolgreich erwiesen. Die Streuung ist danach im wesentlichen auf einen von 1 verschiedenen (relativen) Brechunnsindex fiir dieMateriehier ist E = h2k2/2m die Einfallsenergiel). Der Mehrkorper-Charakter des Problems wird dabei als unwesentlich angesehen. Insbesondere diirfen, *) Auszugsweise vorgetragen auf der Tagung fur theor. Physik in Oberwolfach, April 1956. 1) Rein imaginiires ~t (im Teilchentiild: negative kinetische Energie) bedeutet Totslreflexion; die ,,gebrochene" Welle klingt d a b i exponentidl ab; Bekanntlich ist eine ,,total"-refloktiernde Schicht nicht ganz undurchsichtig (Tunneleffekt), solange ihre Dicke nicht schr p B gegen die Wellenlilnge ist. 21 Zeitschrlft ,,Fortschritte der Phyalk" 298 P. M. MEDIKA und G . SUSSMANN wenn dieses Modell angemessen sein soll, die Kernreaktionen im VergIeich zur elastischen Streuung nicht zu haufig sein. nurch die Messungen von FERMI und Mitarbeitern (6) stellte es sich jedoch bald heraus, daB diese Bedingungen beim BeschuB durch langsame Neutronen ( E < 1 keV) keineswegs erfiillt sind. Bei vielen verschiedenen Kernen fand man in den Einfangsquerschnitten als Funktion der Einfallsenergie sehr hohe und sehr scharfe Maxima. Ihre Breite (r = 6 E ) betragt oft nur 0,l eV, und ihre Hohe erreicht manchmal die GroBenordnung von lo-* cm2, ist also 4 1OOOOmal groBer ...