ZusammenfassungFrühkindliche (naturwissenschaftliche) Interessen werden bislang vorrangig anhand von Befragungen erhoben. Wie zuverlässig Kinder bereits im Kindergartenalter über ihre Interessen Auskunft geben können, lässt sich kritisch diskutieren: einerseits, da Befragungen eine adäquate Rekonstruktion vergangener Zustände erfordern; andererseits, da sich Kinder ihrer Umwelt noch überwiegend nonverbal mitteilen. Nichtsdestotrotz ist zur Bestimmung des mentalen Konstrukts Interessensgegenstand die Erhebung von Selbstauskünften unumgänglich. Die vorliegende Studie wählt daher einen Zugang zu frühkindlichen naturwissenschaftlichen Interessen, der spontane Selbstauskünfte und Verhaltensbeobachtungen integriert. Hierfür wurden zehn Kinder in drei Lernsituationen der frühen naturwissenschaftlichen Bildung videografiert. Spontane Äußerungen wurden zur Einschätzung ihres aktuellen Interessensgegenstands herangezogen. Die Aufmerksamkeitsintensität in der nonverbalen Lerngegenstands-Auseinandersetzung diente als Anhaltspunkt für ihre momentane Interessiertheit. Es zeigten sich signifikant-positive Zusammenhänge zwischen der Verbalisierung eines naturwissenschaftlichen Interessensgegenstands und der nonverbalen Interessensausprägung. Dies legt nahe, dass die Kinder vorwiegend situational-naturwissenschaftliche Interessen entwickelt haben. Varianzanalysen wiesen auf bedeutsame Unterschiede in den naturwissenschaftlichen Interessensausprägungen hin, die einerseits von Kind-, andererseits von Lernsituations-Merkmalen beeinflusst wurden. Zeitreihenanalysen zeigten zudem, dass die Kinder meist erst nach mehreren Minuten interessiert-nonverbaler Auseinandersetzung ihr Interesse auch verbal zum Ausdruck brachten. Dies spricht für die Bedeutung schweigender Auseinandersetzungsprozesse in der Entwicklung situationalen Interesses.