Zusammenfassung
Hintergrund
Empirische Befunde legen nahe, dass Bindung im Erwachsenenalter sowohl globale als auch beziehungsspezifische Aspekte aufweist. Bisher ist jedoch nicht ausreichend geklärt, inwieweit sich globale und spezifische Bindungsdimensionen in ihren Zusammenhängen mit psychischer Gesundheit unterscheiden.
Methodik
In einer Gelegenheitsstichprobe (n = 622; 86 % weiblich, Altersdurchschnitt 33 Jahre) wurden Bindungsangst und Bindungsvermeidung jeweils in den Beziehungen zu Mutter, Vater, PartnerIn und FreundIn und in einer globalen Form mittels des Selbstbeurteilungsinstruments Experiences in Close Relationships – Relationship Structures (ECR-RS) erhoben. Es wurde angenommen, dass sich die Ausprägungen der Bindungsdimensionen je nach Beziehungskontext voneinander unterscheiden. Mittels multipler Regression wurden die Zusammenhänge der Skalen des ECR-RS mit der Symptom-Checklist-Kurzversion (SCL-K9), dem Inventar Interpersonaler Probleme (IIP-32) und der Level of Personality Functioning Scale – Brief Form (LPFS-BF) untersucht.
Ergebnisse
Bindungsangst und Bindungsvermeidung wurden je nach Beziehungskontext unterschiedlich hoch eingeschätzt (Bindungsangst: ηp2 = 0,18, Bindungsvermeidung: ηp2 = 0,31). Globale Bindungsangst war der stärkste Prädiktor für aktuelle psychische Beschwerden (β = 0,48, p < 0,001), interpersonale Probleme (β = 0,49, p < 0,001) und Beeinträchtigungen im Persönlichkeitsfunktionsniveau (β = 0,48, p < 0,001). Globale Bindungsvermeidung zeigte keinen wesentlichen inkrementellen Effekt über die beziehungsspezifische Vermeidung hinaus. Hingegen stand insbesondere Bindungsvermeidung in der Partnerschaft mit den 3 Ergebnismaßen im Zusammenhang.
Diskussion
Die Bindungsdimensionen von Erwachsenen scheinen sich je nach dem Beziehungskontext, in dem sie beurteilt werden, zu unterscheiden. Für die Praxis könnte eine Kombination aus globalen und partnerschaftsbezogenen Bindungsfragebogen am aussagekräftigsten sein, um die unterschiedlichen Zusammenhänge von Bindungsangst und Bindungsvermeidung mit der psychischen Gesundheit ausreichend zu erfassen.