Zusammenfassung
Einleitung Ein kongenitaler Mikrophthalmus kann entweder isoliert
auftreten (einfacher Mikrophthalmus) oder mit weiteren okulären Fehlbildungen,
wie einer Sklerokornea oder einer Katarakt, assoziiert sein (komplexer
Mikrophthalmus). Aufgrund des seltenen Auftretens fehlen einheitliche
Behandlungsempfehlungen.
Material und Methoden Retrospektive Fallserie von 103 Patienten bzw.
insgesamt 114 Augen mit kongenitalem Mikrophthalmus mit Erfassung von Alter,
Geschlecht, Visus, Pupillenreaktion, axialer Bulbuslänge, horizontaler Weite der
Lidspalte, Art der durchgeführten Therapie, Komplikationen.
Ergebnisse Alle Patienten waren ausnahmslos primär prothesenfähig. Die
Größe der Lidspalte hing vom zugrunde liegenden Befund ab: „beidseits
Mikrophthalmus“ < „Mikrophthalmus und gesundes Partnerauge“ <
„Mikrophthalmus und Anophthalmus der anderen Seite“. Um bei einem Säugling in
den ersten Lebenswochen oder -monaten die visuelle (Rest-)Funktion als
wichtigsten Faktor für die Entscheidung über die Therapie zu beurteilen, ist die
Pupillenreaktion, speziell bei einseitiger Erkrankung die indirekte
Lichtreaktion des gesunden Auges, von größter Bedeutung. In etwa der Hälfte der
Fälle war eine konservative Prothesenbehandlung ausreichend. Nach der
erfolgreichen Erstanpassung einer Vorlegeprothese fand eine regelmäßige
Prothesenvergrößerung nach Maßgabe des Okularisten statt. Wenn die
Bulbuslängendifferenz so groß war, dass auch mit einer doppelwandigen Prothese
keine Symmetrie zu erzielen war, wurde eine Volumenauffüllung durch retrobulbär
implantierte selbstquellende Pelletexpander (osmed GmbH, Ilmenau) angeboten. Bei
knapp einem Drittel der Patienten erfolgte keine operative Therapie oder
prothetische Versorgung. Die Ursache dafür war meist das Vorliegen einer
minimalen Sehfunktion des Mikrophthalmus (Wahrnehmung von Lichtschein bis Angabe
von Handbewegungen).
Schlussfolgerung Bei vorhandener Sehfähigkeit des Mikrophthalmus sollten
operative Maßnahmen nicht oder nur mit äußerster Zurückhaltung indiziert werden,
da der Erhalt des vorhandenen Visus als vorrangig vor dem kosmetischen Befund
angesehen werden muss. Bei Asymmetrie oder unterentwickelter Lidspalte kann der
Therapiebeginn frühzeitig im 1. Lebensjahr erfolgen, ohne dass daraus
resultierende Komplikationen zu befürchten sind.