Gleichberechtigung der Geschlechter: ein einfacher Satz, eine klare Botschaft -vor mehr als 70 Jahren ins Grundgesetz geschrieben. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit, oder? Nein! Hart wurde damals um die Formulierung gerungen und nur dank geballter Frauenpower konnte der Anspruch so unmissverständlich in unserer Verfassung verankert werden. Und seither?In freundlicher Dankbarkeit ließe sich die Geschichte der emanzipatorischen Kräfte der Hilfsarbeiterinnen lesen, wäre der im Grundgesetz formulierte Anspruch heute eingelöst. Doch das ist nicht der Fall: Noch immer verdienen Frauen in der Bundesrepublik Deutschland weniger als Männer, rund 20 Prozent. Warum? »Drei Viertel des Verdienstunterschieds zwischen Männern und Frauen [sind] strukturbedingt -also unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird, und sie seltener Führungspositionen erreichen. Auch arbeiten sie häufiger als Männer in Teilzeit und in Minijobs und verdienen deshalb im Durchschnitt pro Stunde weniger«, so das Statistische Bundesamt im März 2020.Es geht also um Strukturen, verkrustete, alte, überkommene Strukturen und wie sich diese aufbrechen lassen -mit Klugheit und strategischer Weitsicht, Beharrlichkeit und Solidarität, das haben uns die Kolleginnen vor mehr als hundert Jahren gezeigt und deswegen ist ihre Geschichte noch immer aktuell, lehrreich und ermutigend; denn es ist kraftraubend und anstrengend, Strukturen aufzubrechen, nicht selten auch frustrierend. Der in 1 | Aus: Ernst Preczang, Ein Vierteljahrhundert! (Preczang 1915; vierte von zehn Strophen). Preczang war zeitweise Redakteur der »Solidarität«, der Zeitung der Berliner Druckgewerkschaften (später Organ des »Verbandes der Buch-und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands«). In der Zeit der Weimarer Republik gründete er mit anderen die Büchergilde Gutenberg und war viel gelesener Arbeiterdichter. Zu Preczang vgl. auch Fuhrmann 2019, S. 58 (mit Anmerkungen).
Kapitel 1Bei der Konzeption dieser Arbeit und bei der Recherche habe ich mich daher an einer intersektionalen Perspektive orientiert. 7 Allgemein gesprochen bedeutet »intersektional« zunächst, Verschränkungen verschiedener Machtverhältnisse im Blick zu behalten und zusammenzudenken. Der Ansatz wurde zuerst in den USA diskutiert (engl. intersection ≙ Schnittpunkt, Kreuzung) und wird zunehmend in deutschen Debatten aufgegriffen.Machtverhältnisse, die mit Hilfe von Herrschaftsstrukturen wie etwa Geschlecht, race oder Klasse hergestellt werden, können in intersektionaler Perspektive leichter entschlüsselt werden. Im vorliegenden Fall sind besonders die Strukturen Geschlecht, Klasse und Ausbildungsstand zentral. Ihre Auswirkungen werden untersucht, und zwar sowohl in ihrer kollektiven Dimension als auch ihre Konkretion am Individuum. Dabei entsteht kein Beitrag zur theoretischen Debatte um Intersektionalität, vielmehr wird deren (historische) Empirie ausgebreitet, die mir oft zu kurz zu kommen scheint: Wie veränderte sich die Lebe...