Das kurze Gedicht „Tacchini“ des deutschen Lyrikers Durs Grünbein, 1962 in Dresden geboren, aus dem Zyklus Cyrano, oder: Die Rückkehr vom Mond (2014), nimmt sich einem fast schon vergessenen lyrischen Topos an: Denn noch ein klassisches (Sehnsuchts-)Symbol in Gedichten des 18. und 19. Jahrhunderts, scheint die Lyrik der Gegenwart deutlich das Interesse am Mond verloren zu haben. Diese regelrechte ‚Entmystifizierung‘ mag an der ersten Mondlandung liegen, seit aus dem Erdtrabanten im Sommer 1969 ein nun konkret ‚erreichbarer‘ Ort geworden ist. Doch die ‚Eroberung‘ des Weltalls hatte auch einen überraschenden Nebeneffekt, nämlich die ‚Wiederentdeckung‘ der Erde, führte doch der Blick auf den ‚Heimatplaneten‘ erstmals zu einer bewussten Reflektion des Umgangs mit der Natur.Grünbein greift diese Bedeutungsverschiebung auf, wenn sein Zyklus nun den Topos lyrischer Mondgedichte regelrecht zu dekonstruieren scheint oder die Perspektive dezidiert vom Mond auf die Erde gerichtet wird. So inszeniert das Gedicht „Tacchini“ einen ‚Blick von oben‘ auf die Erde und dreht damit die klassische Betrachterposition um; vielmehr beschreibt das lyrische Ich die vom Weltraum aus sichtbare menschliche Zivilisationstätigkeit und die Eingriffe in die Umwelt.In Dialog mit philosophischen Ansätzen von Richard Buckminster-Fuller und Günther Anders sowie der Theorie des Anthropozän gesetzt, soll Grünbeins Gedicht der Ausgangspunkt für eine Diskussion des Konzepts vom ‚Heimatplaneten‘ darstellen und die Grenzen ‚natürlicher Heimat‘ hinterfragen.