In this essay, Ulrike Draesner, a German poet, writer of fiction and essays, and professor of Creative Writing at the Deutsche Literaturin-stitut Leipzig, outlines several dimensions that are crucial for the theory of poetry from a practitioner's point of view.Über alles, was Gedichte angeht, lässt sich, interessiert man sich erst einmal für »diese kleinen Dinger« (welch irreführender Name) trefflich (trefflich!) streiten. Allemal, wenn es ans Grundsätzliche geht: etwa darum, was Gedichte ›sind‹ und/oder was sie können.Vor zehn Jahren, im Frühling 2012, nahm ich mit etwa 35 Dichter*innen aus den fünf Kontinenten des gebeutelten Planeten an einer Lyriktour durch Indonesien teil. Das Motto des Treffens, das uns von Vulkan zu Vulkan, von Universität zu Lesebühne zu Bambusmatte führte, lautete ›What is Poetry‹. Mit dieser Frage konnte jeder etwas anfangen, insbesondere der Laie, während Profis sich überlastet am schwitzenden Kopf kratzten. So begegnete man sich, und die Frage war für die versierten (versed) US-amerikanischen Autor*innen und ihre neuseeländischen und australischen Ableger*innen (was die Theorie angeht) genauso unbeantwortbar wie für den verlockend heiteren Pulk der Autor*innen aus Afrika, die rasend schnell Französisch und vieles andere miteinander sprachen.What is poetry? Ich wäre um eine Antwort verlegen geblieben, wäre mir nicht rechtzeitig Oskar Pastior zu Hilfe geeilt. Wenigstens als Geist (in Indonesien wurde das Mitführen eines Geistes, wie sich zeigte, durchaus erwartet und auch anerkannt, und ich hatte ein wenig das Gefühl, dass es auch Oskar, dort auf seiner anderen Seite, gefiel, Indonesien kennenzulernen). Anfang des Jahrtausends hatte er mir am Berliner Wannsee erzählt, wie er ein Osterfest im Berliner Zoo, wie soll ich sagen, ›intensiviert‹ hatte. Ich glaube, wir hatten über Tiere gesprochen oder ich hätte es gern getan, aber mit Oskar war immer nur über Oskarisches zu sprechen so wie mit Elke Erb jedes Sprechen der Ansatz eines Erbgedichtes wurde.Auch eine Frage für die Forschung? Unbedingt. Als Fragen nach den Grenzen von Sprache, Sprachlichem, Gesprochenem, Zeichenhaftigkeit.Zurück zu Oskar Pastior. Die Berliner Zooverwaltung hatte beschlossen, zum Osterfest, an dem man zahlreiche Menschen mit Kindern erwartete, nicht nur Eier zu verstecken.