In diesem Kapitel wird das theoriebasierte Reflexionsmodell über theoretische Erkenntnisse entwickelt. Zuerst wird der Begriff der Reflexion selbst geklärt und es werden verschiedene Arten der Reflexion vorgestellt. Dann wird erläutert, warum Reflexion in der 1. Phase der Lehrkräftebildung überhaupt eine prägnante Rolle einnehmen sollte und Ziele des Reflektierens werden diskutiert. Anschließend werden Vorstellungen des Reflexionsprozesses erläutert. Die beiden darauffolgenden Kapitel widmen sich der Reflexionskompetenz und Qualitätsmerkmalen von Reflexion. Danach werden verschiedene Kritikpunkte an bisheriger Reflexionsforschung besprochen und das entwickelte Reflexionsmodell wird erläutert. Abschließend wird die Messung mit Hilfe des entwickelten Reflexionsmodells erläutert.
Begriffsklärung ReflexionDas Verb "reflectere" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet sich zurück ("re") beugen oder wenden ("flectere") (Bengtsson, 2003). Im Brockhaus wird Reflexion bildungssprachlich in der Enzyklopädie als "Nachdenken, Überlegung, Vertiefung in einen Gedankengang" (Brockhaus, 2023b) beschrieben und allgemein im Jugendlexikon als "Nachdenken, Überlegung, das prüfende und vergleichende Denken" (Brockhaus, 2023a). Das heutige Verständnis des Reflexionsbegriffes geht oftmals auf John Dewey (1933) zurück, der Reflexion als eine systematische und auf wissenschaftlichen Untersuchungen basierende Denkweise beschrieben hat und im amerikanischen Pragmatismus verortet werden muss. Er definiert diese Art des Denkens wie folgt: "[…] reflective thinking, in distinction from other operations to which we apply the name of thought, involves (1) a state of doubt, hesitation, perplexity, mental difficulty, in which thinking originates, and (2) an act of searching, hunting, inquiring, to find material that will resolve the doubt, settle and dispose of the perplexity" (Dewey, 1933, S. 12). Einigkeit in all den unterschiedlichen Vorstellungen von Reflexion besteht darin, dass es eine spezielle Form des Denkens darstellt (Hatton & Smith, 1995;Valli, 1997). Denn von sich aus neigen Menschen häufig zu eher intuitiven Entscheidungen und Denkweisen, als zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit Situationen oder Problemen (Kahnemann, 2012). Begrifflich muss unterschieden werden zwischen Reflexion als Reflexionsprozess, der den Vorgang des Reflektierens umfasst und Reflexion als dem Produkt, z. B. in Form von schriftlichen Texten oder Audioaufnahmen.Kriterien und der Prozess mündet schließlich im Auswählen einer Option (Krieg & Kreis, 2014). Bemerkenswert sind hier die verschiedenen Ebenen, die bspw. zwischen dem bloßen Auffinden einer Handlungsoption und dem kritischen Durchdenken dieser unterscheiden.
Erfassung des ReflexionsprozessesReflexionsbezogene Denkprozesse, wie allgemeine kognitive Prozesse, müssen zumeist indirekt beobachtet werden, um evidenzbasierte Erkenntnisse zu erlangen. Reflexionsbezogene Denkprozesse können sich in Handlungen manifestieren, wie beispielsweise das Anpassen von Aktionen während eines Praktikums, oder im Disk...