Ein Aptamer, das spezifisch an den Interleukin-6-Rezeptor bindet und intrinsisch mehrere Einheiten des Nukleosidanalogons 5-Fluor-2'-desoxyuridin beinhaltet, ist in der Lage, gezielt einen zytostatischen Effekt auf Zellen auszuüben, die diesen Rezeptor tragen. Das Aptamer kann in einem einzigen enzymatischen Schritt synthetisiert werden und bindet an einen Zelloberflächenrezeptor, der in das Lysosom transportiert wird. [1] Ein Schlüssel zu dieser Problematik kann dabei in der sorgfältigen Wahl eines Therapeutikums liegen, das keiner zusätzlichen "Endosomalescape"-Unterstützung bedarf, im Unterschied zu beispielsweise siRNAs. [2] Therapeutische Nukleosid-oder Nukleobasenanaloga stellen eine Klasse derartiger Wirkstoffe dar.[3] Einer dieser Stoffe, 5-Fluoruracil (5-FU), wird seit über fünfzig Jahren als Zytostatikum in der Krebstherapie und zur Behandlung vieler anderer Krankheiten eingesetzt.[4] Die Wirksamkeit von 5-FU beruht dabei auf drei Angriffspunkten auf die Vitalität oder Proliferation der betroffenen Zellen (Abbildung S1).[5] So bewirkt der Einbau von 5-FU-Metaboliten in RNA oder DNA (FUTP oder FdUTP) eine fehlerhafte RNAReifung [6] beziehungsweise DNA-Strangbrüche. [7] Den signifikantesten Einfluss übt 5-FU nach dessen Umsetzung zum Desoxyribonukleotid (FdUMP) aus, das als starker Inhibitor der Thymidylat-Synthase (TS) fungiert, dem Schlüsselenzym der De-novo-Biosynthese des Desoxythymidinmonophosphates (dTMP). [8] Um Nebenwirkungen zu vermeiden, kann 5-FU als Prodrug verabreicht werden, welches nur in bestimmten Zelltypen, z. B. Prostatakrebszellen, in eine aktive Form überführt wird.[9] Eine andere Strategie zur Vermeidung der Schädigung von Nicht-Zielzellen stellt der gezielte Wirkstofftransport dar. Derzeit befinden sich Nanopartikel, Nanogele oder Nanopolymere im Fokus des Interesses am aktiven Transport von 5-FU.[10] Hier stellen wir die Anwendung eines zellspezifischen zytotoxischen Aptamers vor, das in einer enzymatischen Einschrittreaktion unter Einbau mehrerer Einheiten eines Nukleosidanalogons in ein Zytokinrezeptor-bindendes Aptamer hergestellt werden kann. Die kontrollierte Wirkstoff-Freisetzung innerhalb der Zielzellen wird durch die intrazelluläre nukleolytische Hydrolyse des Aptamers initiiert. In unserem Ansatz wird der nichtphosphorylierte Vorläufer des FdUMP, 5-Fluor-2'-desoxyuridin (5-FUdR), verwendet und anstelle aller Uridine (30 pro Molekül) in das Aptamer selbst integriert. Wir zeigen, dass eine Exposition der Zielzellen mit diesem modifizierten Aptamer zu Wachstumshemmung und Zelltod führt.Kürzlich berichteten wir über die Selektion des RNAAptamers AIR-3 zur spezifischen Bindung an den humanen Interleukin-6-Rezeptor (hIL-6R) mit einer Dissoziationskonstante im nanomolaren Bereich.[11] Nach Bindung an hIL-6R-positive Zellen wird das Aptamer durch Endozytose internalisiert. Diese rezeptorvermittelte Endozytose beruht auf Rezeptor-Recyclingvorgängen. In den meisten Fällen führt der intrazelluläre Stoffwechselweg von ligandgesteuerten Rezeptoren zum lysosomalen Abbau...