Die Kernspaltung ist, obwohl ein physikalisches Phinomen, auch fur den Chemiker von Interesse. Sie wurde von Chemikern entdeckt, und Chemiker haben einen wesentlichen Beitrag zum gegenwartigen Wissen auf diesem Gebiet geleistet. Eine umfassende Theorie der Kemspaltung gibt es immer noch nicht, obwohl die in den 35 Jahren seit ihrer Entdeckung angesammelten experimentellen Daten betrachtliche Ausmalje angenommen haben. In den letzten Jahren wurden experimentelle Entdeckungen gemacht, die nicht rnit den konventionellen theoretischen Modellen der Kernspaltung erklart werden konnten. Die wichtigste Entdeckung war die der Formisomeren ; es handelt sich dabei um eine neue Art von Isomerie des Atomkerns. Erst durch genaue Berechnungen der Spaltbarrieren scheint man einer Erklarung vieler experimenteller Befunde naher zu kornmen. In diesem Fortschrittsbericht werden diese neuesten Ergebnisse und der gegenwartige Stand unseres Wissens uber die Kernspaltung besprochen. Angew. Chrm. R7. Juhrg. I Y 7 S / N r . 3 Zielkern in Gleichgewichtsdeformation Kernreaktion. Teilcheneinfang oder direkte Reaktion, z. B. (d, p) oder (%a') Angeregter Kern mit Gleichgewichtsdeformation des Zielkerns und E MeV Anregungsenergie. Kernladungszahl Zt, Masse At und Drehimpuls Jr Z A Z A si sz 12' I2 /A341/ Zwischenzusrand mit Sattelpunktsdeformation und (E -Et) MeV Anregungsenergie (Er= Spaltbarriere). Die Lebensdauer hangt von (E-E,) a b und betragt ca. s, wenn die Spaltung durch thermische Neutronen ausgelast wird Spaltkonfiguration: zwei Kernpotentiale; stark deformierte Fragmente; Deformation hangt von der Deformierharkeit ah; kinetischc Energie der Fragmente ist klein: gelegentlich werden Nukleonen und leichte Kerne emittiert. Die Fragmente haben die Kernladungszahlen Zl, und Z,,, die Massen Al, und A,,, die Spins J I , und J,, Zr = ZI, + Z,,; Ar = AI, + A,, Die primaren Spaltfragmente werden durch Coulomb-Wechselwirkung in ca. 10-2 o s auf 90 % ihrer endgultigen kinetischen Energie beschleunigt: sie legen dabei ca. lo-" cm zuruck Getrennte und beschleunigte primare Fragmente hoher Anregungsenergie im Abstand von ca. 1O-'cm Neutronenemission (vl,.v2) der vollstandig beschleunigten Fragmente in 10-'"10-l4s Abstand der Fragmente: 1 0~' -l O~O c m A,, = AI, + VI; A,, = A,, i vr Gammaemission in 10~lz-10 ' O F Abstand der Fragmente. 10-1-10 3Cm Primare Spaltprodukte (sekundare Spaltfragmente) im Grundzustand mit den Kernladungszahlen Z I , und Z,,, den Massen Al, und A.2 und den Spins J,, und J'?. Dies Kerne sind neutronenreich und P--instabil P-Zerfall (mit T > 10s langsamer ProzeB) zu den sekundaren Spaltprodukten. Gelegentlich popuhert ein P-Zerfall ein neutroneninstabiles Niveau: Emission verzijgerter Neutronen. Der Radiocbemiker untersucht die langerlebigen Kerne ZI, = ZI, -n,; Z,, = Z.2 -n. (nl, n, Zahl der p-Zerfalle) Stabile Endprodukte Abb. 1. Schematische Darstellung der aufeinanderfolgenden Stadien der Kernspaltnng (nach [13]). A n g w . Chem. / 87. Jahry. 1975 I N r . 3