Aktive und passive Sterbehilfe, ihre Definitionen sowie die dahinterstehenden Theorien und ihre praktischen Anwendungen sind interdisziplinär weitgehend unumstritten. Hingegen ist -in Theorie und Praxis -der indirekten Sterbehilfe großer Dissens zu attestieren. Obwohl die gängige Definition indirekter Sterbehilfe von medizinischer und juristischer Seite unumstritten ist, herrscht doch zwischen Theorie und Praxis der indirekten Sterbehilfe eine große Diskrepanz. Es ist fraglich, ob die in der Definition der indirekten Sterbehilfe genannte potenzielle Lebensverkürzung aufgrund einer Schmerztherapie am Lebensende überhaupt eintritt. Dieser Beitrag stellt den aktuellen Forschungsstand zu den Wirkungen einer Schmerztherapie am Lebensende dar. Er beleuchtet die indirekte Sterbehilfe in der Praxis nä-her. Die juristische Sicht indirekter Sterbehilfe wird diskutiert und ein Ansatz der Straflosigkeit indirekter Sterbehilfe begründet. Schließlich wird ein Weg aufgezeigt, die medizinische und die rechtliche Sicht zur indirekten Sterbehilfe auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Aktive, passive und indirekte Sterbehilfe Bevor das Spannungsfeld, das durch die unterschiedliche Betrachtung der indirekten Sterbehilfe vonseiten der verschiedenen Disziplinen geschaffen wurde, näher erläutert werden kann, müssen aktive, passive und indirekte Sterbehilfe gegeneinander abgegrenzt werden. Aktive Sterbehilfe wird geleistet, wenn ein Arzt in der Intention den Tod des Patienten auf dessen ausdrücklichen Wunsch herbeiführt, indem er diesem die letale Dosis eines Medikaments, z. B. eines Barbiturats, injiziert. Der Arzt beendet das Leben seines Patienten absichtlich. In Deutschland wird diese Handlung als Tötung auf Verlangen eingestuft und gemäß § 216 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafrechtlich geahndet.Passive Sterbehilfe hingegen bezeichnet die Nichtaufnahme lebensverlän-gernder oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Dieses kann ebenfalls auf den ausdrücklichen Wunsch eines sterbenden oder schwer kranken Menschen geschehen und wird in Deutschland nicht strafrechtlich verfolgt.Indirekte Sterbehilfe ist als eine mög-liche und lediglich in Kauf genommene Lebensverkürzung im Rahmen der Durchführung einer adäquaten Schmerztherapie definiert. Die mögli-cherweise stattfindende Lebensverkür-zung darf zu keiner Zeit durch den Arzt beabsichtigt werden, kann jedoch, gemäß ihrer Definition, im Rahmen der Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente eintreten. In den von der Bundesärztekammer (BÄK) im Februar 2011 überarbeiteten und neu veröf-fentlichten "Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung" wird die indirekte Sterbehilfe wie folgt erwähnt:Bei Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf. [12] Es scheint, als verzichte die BÄK bewusst auf die explizite Benennung des Begriffs "indirekte Sterbehilfe". Der Terminus bezeichnet jedoch genau die von der BÄK beschriebene Sachlage. Möglicherweise wird der Begriff indirekte ...