Intensive Literaturproduktion ein Indiz für steuerlichenReformbedarf? Durch Medien und Politik wird seit langem behauptet, dass allein in Deutschland zwischen zwei Dritteln bis 80% der weltweiten Steuerliteratur produziert würde; 1 diese Steuerliteraturlegende ist weit verbreitet, obwohl bislang keine Nachweise für die Behauptungen vorgelegt wurden (Mansmann 2008, S. 10, Wehran 2006, S. 23). Während ansonsten die Literaturproduktion als ein positives Indiz der Wissensproduktion eines Landes angesehen wird, wird die Steuerliteratur ausschließlich als negativer Indikator für durch die unnötige Kompliziertheit des deutschen Steuerrechts ausgelöste Kosten angesehen. Da die Literaturproduktion der Komplexität des Steuersystems angelastet wird, werden aus ihr Schlussfolgerungen für die Reformbedürftigkeit des Steuersystems abgeleitet.Im Folgenden werden in Kapitel 2 empirische Belege für einen Vergleich des Regelungsumfangs, der Bürokratiekosten und der Literaturproduktion des deutschen Steuerrechts mit anderen europäischen Staaten vorgelegt. Nach einer Analyse der Motive für steuerliche Literaturproduktion in Kapitel 3 wird in Kapitel 4 anhand einer Fallstudie eines aktuellen, in der Literatur besonders intensiv diskutierten Problemsüberprüft, von welchen Motiven sich diverse Autorengruppen bei der steuerlichen Literaturproduktion leiten lassen. Im Ergebnis wird festgestellt, dass das deutsche Steuerrecht im internationalen Vergleich hinsichtlich seiner Komplexität eher unauffällig abschneidet. Außerdem wird belegt, dass die Kosten der Literaturproduktion entgegen der verbreiteten Annahme nur teilweise der Kompliziertheit des Steuersystems anzulasten sind, sondern durch andere Motive bestimmt werden und daher auch eineÜberproduktion steuerlicher Literatur als unbedenklich anzusehen ist.