Zusammenfassung
Ziel der Studie Für die erfolgreiche Implementierung von Leitlinien sind kontextspezifische Umsetzungsstrategien, welche die spezifische Versorgungssituation sowie mögliche Umsetzungsbarrieren berücksichtigen, vielversprechend. Ziel dieser Untersuchung war es, mögliche Barrieren und präferierte Umsetzungsstrategien für die Implementierung der S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ aus der Perspektive von Behandlern und Betroffenen zu erfassen.
Methodik Als Teil des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekts Implementierung und Evaluation der S3-Leitlinie zu Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen (IMPELA) wurden Barrieren und mögliche Strategien für die Umsetzung der Leitlinienempfehlungen mithilfe eines selbst entwickelten Fragebogens querschnittlich erhoben. Sowohl Gesundheitsfachpersonal aus Primärversorgung und Suchthilfe (Behandler) als auch Betroffene von alkoholbezogenen Störungen und deren Angehörige in der Modellregion Bundesland Bremen wurden mithilfe unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien (postalisch, persönlich, über ausgelegte Flyer) zur Teilnahme eingeladen. Der Fragebogen konnte in Papierversion oder online bearbeitet werden. Zusätzlich wurde der Fragebogen online über relevante Fachgesellschaften und Patientenorganisationen mithilfe von E-Mailverteilern bundesweit verbreitet.
Ergebnisse Datensätze von 263 Behandlern wurden in die Auswertung eingeschlossen, davon 163 (62%) Behandler aus Bremen und 100 (38%) aus anderen Bundesländern. Die Behandler waren im Mittel zwischen 51,7 (Bremen) und 50,9 (Bundesweit) Jahre alt und hatten 22,8 (Bremen) bzw. 23,7 (Bundesweit) Jahre Berufserfahrung. Die Mehrheit der Befragten waren Ärzte (62,6% Bremen; 50% Bundesweit). Als Hauptbarrieren empfanden die Behandler das mangelnde Wissen über die Existenz der Leitlinie (65,6% Bremen; 44% Bundesweit) und die geringen zeitlichen Ressourcen im Behandlungsalltag (68,7% Bremen; 50% Bundesweit). Als mögliche Umsetzungsstrategien wurden u. a. die stärkere Information der Fachöffentlichkeit (33,7% Bremen; 39% Bundesweit) sowie Fact-Sheets (34,9% Bremen; 38% Bundesweit) genannt. Zusätzlich konnten Daten von 94 Betroffenen/Angehörigen ausgewertet werden (57,7% männlich; Alter M=44,7 Jahre). Von diesen gaben 51 Personen (54,3%) an, bereits selbst eine Suchtbehandlung in Anspruch genommen zu haben. Als Schwierigkeiten für die Versorgung benannten die Betroffenen/Angehörigen am häufigsten, dass Betroffene aus Angst vor Konsequenzen keine Hilfe suchen (n=51; 54%) oder ihre Probleme nicht wahrhaben wollen (n=49, 52,1%), sowie zu lange Wartezeiten auf Behandlungsplätze (n=45; 47,8%). Verbesserungspotential sahen die Betroffenen v. a. in den Bereichen Screening („Ansprechen des Alkoholkonsums“; n=44; 46,8%) und einem nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Behandlungssettings (n=42; 44,6%).
Schlussfolgerungen Zusätzlich zu den bisherigen Bemühungen zur Disseminierung der S3-Leitlinie Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen legen die Ergebnisse dieser Studie die Notwendigkeit einer kontextspezifischen Förderung der Leitlinienumsetzung nahe.