Drawing on Heiner Müller's acceptance speech following the award of the Kleist Prize in 1990, this article explores a history of reception running from Heinrich von Kleist via Bertolt Brecht to Heiner Müller. Despite the rejection of Prussian militarism by both Müller and Brecht -and their scepticism about Prussia's enlightened status -the history and literature of Prussia serve as a foil against which the ideological conflicts of the twentieth century can be played out. For both Brecht and Müller, Kleist's Prinz Friedrich von Homburg serves as a productive model for the subjugation of the outsider by the collective. A reading of this model is proposed that emphasises not the success or failure of the Prince's education, but rather the opposition between the Prince and Hohenzollern. This opposition is carried over by Brecht in his work on Fatzer and informs the opposition between the functionary K(euner) and the anarchist Fatzer. Müller understands these two figures as an indivisible pair Keuner ± Fatzer (1982). Although historically and ideologically remote, Kleist's Prussian fantasy is not fundamentally different from the dream of a better Germany shared by both Brecht and Müller. The reason for this can be traced back to Kleist's recognition that a non-violent mutual recognition of individuals is impossible and that -in line with the 'Homburg model' -such conflicts must be played out in a mode that is both dialectical and performative.
Ausgehend von Heiner Müllers Preisrede anläßlich derVerleihung des Kleist-Preises 1990 verfolgt dieser Aufsatz Traditionslinien von Heinrich von Kleisẗ uber Bertolt Brecht zu Müller. Trotz Brechts und Müllers Ablehnung des militaristischen Preußens und ihrer Skepsis gegenüber dem aufgeklärten Preußen bieten die Geschichte und die Literatur dieses Landes eine Projektionsfläche, auf der ideologische Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts ausgespielt werden können. Kleists Stück Prinz Friedrich von Homburg wird für beide Autoren zu einem produktiven Modell für die Zähmung des Außenseiters durch das Kollektiv. Im Folgenden wird eine Lesart dieses Modells vorgeschlagen, in der das Hauptaugenmerk nicht auf der mehr oder weniger erfolgreichen Erziehung des Prinzen Friedrich, sondern auf der Opposition von Hohenzollern und dem Prinzen liegt. In Brechts Fatzer -Material (1927-32) wird diese Opposition in den Funktionär K(euner) und den Anarchisten Fatzerüberführt. Müller versteht diese beiden Figuren als ein untrennbares Paar Keuner ± Fatzer (1982). Kleists preußischer Traum ist trotz seiner historischen und ideologischen Distanz nicht weit vom Traum von einem besseren Deutschland entfernt, den Brecht und Müller träumten. Der Grund hierfür liegt in Kleists Einsicht, dass eine gewaltlose gegenseitige Anerkennung der Subjekte nicht möglich ist und dass ihr Konflikt nach dem 'Homburg-Modell' dialektisch und performativ ausgetragen werden muss.