Zusammenfassung:In diesem beitrag suchen wir nach möglichen gründen für die seit einigen Jahrzehnten abfallende schulische leistungsfähigkeit der jungen Männer. hierzu analysieren wir die vorliegenden Studien und schlagen ein sozialisationstheoretisch fundiertes erklärungsmodell vor, das die bisherigen Ansätze aufnimmt und weiterführt. Im Zentrum steht dabei das Konzept der "entwicklungsaufgaben". die zentrale These lautet: die schlechte schulische leistungsbilanz der jungen Männer ist nicht alleine durch Faktoren zu erklären, die sich auf ihr Zurückbleiben im bildungssystem selbst und damit auf ihre mangelnde Auseinandersetzung mit der entwicklungsaufgabe "Qualifikation" beziehen. Vielmehr kann sie nur dann erklärt werden, wenn auch die Probleme bei der bewältigung der anderen für die junge generation typischen entwicklungsaufgaben "bindung", "Regeneration" und "Partizipation" mit herangezogen werden. diese bewälti-gung gelingt, wie die ausgewerteten untersuchungen zeigen, unter den heutigen Sozialisationsbedingungen den Schülerinnen besser als den Schülern. damit tritt ein soziologisch sehr seltenes ereignis ein, nämlich die umkehrung der Richtung einer seit generationen etablierten sozialen Stratifikation. Nicht mehr junge Männer, sondern junge Frauen erwerben die privilegierten Titel des bildungssystems und damit die formal aussichtsreicheren Anwartschaften auf späteren beruflichen Status. Als Schlussfolgerung ergibt sich aus dieser Analyse, dass eine isolierte Verstärkung der gezielten leistungsförderung von männlichen Schülern nur begrenzt zielführend sein kann. Vielmehr lässt sich das relative Leistungsdefizit von jungen Männern nur dann langfristig abbauen, wenn auch ihre Kompetenzdefizite in allen anderen Entwicklungsbereichen ausgeglichen werden, die wichtigen gesellschaftlichen erwartungen einer individualisierten leistungsgesellschaft entsprechen.Schlüsselwörter: bildungsungleichheit · geschlecht · Soziale herkunft · Soziale Stratifikationsmuster · Sozialisation · Entwicklungsaufgaben Abstract: In this paper, we seek to identify factors that account for the declining school performance of boys and young men. After reviewing and analysing the international literature on gender and education, we integrate various explanatory approaches into a model that is rooted in the theory of socialisation. The model focuses on the developmental tasks which young men face during adolescence. Our central thesis is that the declining school performance of young men cannot be fully explained by their failure to cope with educational challenges, i.e., their problems with respect to the developmental task "qualification". Rather, a comprehensive explanation requires the incorporation of three other central developmental tasks, "social attachments", "regeneration", and "participation". In the last decades, it has become easier for young women to cope with these tasks than it is for young men. Thus a rare sociological incident has occurred: the reversal of centuries-old pattern of social stratification. Nowadays, young wom...