Gesellschaftspolitischer Hintergrund und auslösende Idee für das Projekt "Neue Formen der Vermittlung interkultureller Kompetenz für die Berufsfelder Polizei und Strafvollzug" 1 war eine Serie von Verfehlungen der Sicherheitsinstitutionen, die Ende der 1990er Jahre ihr Verhältnis zu der nach Deutschland zugewanderten Bevölkerung massiv belasteten und von den Medien zu Recht skandalisiert wurden. Vor dem Hintergrund dieser politischen Ausgangsbedingungen hatten wir gar nicht die Wahl, uns auf eine nur analytisch-distanzierte Interpretation von Forschung zurückzuziehen. Zudem hatten unsere Projektpartner in der Polizei hohe Erwartungen an die Praxistauglichkeit der Ergebnisse unserer Zusammenarbeit. Von Anfang an war das Projekt damit sowohl auf Forschung als auch auf Entwicklung, das heißt: auf eine starke Involviertheit mit und in Praxis, ausgerichtet. Schon im Grundzuschnitt des Projektes galt es daher, eine Falle zu vermeiden, die in einer Übernahme der Problemdefinitionen und Relevanzkriterien der zum damaligen Zeitpunkt durch die Medienkritik verunsicherten Praxis bestanden hätte. Nach unserer Analyse wäre es verfehlt gewesen, lediglich Ansatzpunkte für eine Korrektur und Eindämmung von Irregularitäten im polizeilichen Handeln gegenüber "Ausländern" zu finden. Ausgangspunkt einer interkulturellen Qualifizierung musste vielmehr eine Klärung bzw. Justierung des polizeilichen Selbstverständnisses und der polizeilichen Professionalität in einer kulturell diversen Gesellschaft sein. Dazu waren allerdings zwei (von Praktikern gepflegte) Mythen zu destruieren: dass die "eigentliche" Arbeit der Polizei in der Kriminalitätsbekämpfung besteht und ihr sozialer Ort die Straße ist. Es lässt sich aber zeigen, dass innerhalb der großen Vielfalt von Tätigkeiten, die Polizeiarbeit umfasst, die Kriminalitätsbekämpfung nur einen sehr kleinen Ausschnitt darstellt-dagegen Einsätze beispielsweise im Verkehrsbereich oder veranlasst durch Hilfeersuchen von Bürgern einen sehr viel größeren Raum einnehmen 2 und bestimmte Tätigkeiten-wie das Besprechen von "Fällen" und "Lagen"-zwar auf "Hinterbühnen" (Jacobsen) platziert sind, aber für das Verständnis von Polizeiarbeit essentielle Tätigkeiten darstellen. 3 Interkulturelle Kompetenz-1 Gegenstand des Forschungsprojektes waren die beiden Berufsfelder Strafvollzug und Polizei. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion konzentriert sich der Beitrag im Folgenden auf den Bereich Polizei. 2 Schon Banton stellte in seiner Studie von 1964 fest, dass Polizisten auf Patrouille sich mehr als "peace-maker" denn als "law-enforcer" bewähren müssen und "waiting, boredom and paperwork" (S. 85) die Alltagsrealität der Beamten bestimmen. 3 Der Mythos der Polizeipraxis über "eigentliche" und "richtige" Polizeiarbeit wird leider auch in der Polizeiforschung perpetuiert, die sich ungleich stärker den street-cops als beispielsweise den sogenannten management-cops zugewandt hat, so dass wir über die Arbeit der letzteren erheblich weniger Informationen haben (vgl. Foster 2003, S. 212). Erhebliche Forschungsdefizite...