ZusammenfassungZiel der Studie Es sollten Unterschiede in der tatsächlichen Inanspruchnahme von
Psychotherapie in den Neuen Bundesländern zu DDR-Zeiten und danach untersucht
werden. Darüber hinaus sollten unter Beachtung von Generationeneffekten (Geburt
vor / nach dem 01.01.1980) heutige Differenzen in der
Inanspruchnahmebereitschaft sowie Barrieren der Inanspruchnahme in Einstellung,
Ansichten und Kontakt zu psychisch Kranken zwischen Personen aus den Neuen
Bundesländern, den Alten Bundesländern sowie Personen, die von den Neuen in die
Alten Bundesländer (Binnenmigrant*innen) gezogen sind, erfasst
werden.Methodik Für die Untersuchung der Fragestellung wurden die Daten einer
repräsentativen Befragung in den Neuen Bundesländern an N=2729 Personen sowie
die Daten einer zweiten online-basierten Befragung von Personen aus den Neuen
und Alten Bundesländern sowie Binnenmigrierten mit insgesamt N=4789
Teilnehmenden ausgewertet.Ergebnisse 1% der befragten Personen gab an, zu
DDR-Zeiten Psychotherapie in Anspruch genommen zu haben. Insgesamt lag die
Inanspruchnahme-Prävalenz für Therapieerfahrungen unter den Personen, die die
DDR miterlebten und vor dem 01.01.1980 geboren wurden, bei knapp 13%. Diese
berichteten auch insgesamt von einer stärkeren Inanspruchnahmebereitschaft von
Hilfen bei seelischem Leid seit Ende des Kalten Kriegs. Die Prävalenz bei den
Jüngeren belief sich auf knapp 12%. In der zweiten Befragung zeigten sich bei
den älteren Befragten bedeutsame Unterschiede – so sind Ostdeutsche heute und
waren auch zu DDR-Zeiten in der Rückschau weniger dazu bereit, Psychotherapie
bei seelischem Leid in Anspruch zu nehmen, sie haben auch weniger Kontakt zu
psychisch Erkrankten. Im Hinblick auf Wünsche nach Distanz zu psychisch
Erkrankten, Selbststigmatisierung bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung und
Diskriminierung psychisch Erkrankter zeigten sich Unterschiede zwischen
Ostdeutschen, Westdeutschen und Binnenmigrierten je nach
Generationenzugehörigkeit.Diskussion Barrieren, die der Inanspruchnahme von
Psychotherapie entgegenwirken, sind generationen- und sozialisationsspezifisch
zu betrachten. DDR spezifische Sozialisationsfaktoren könnten erklären, warum
gerade ältere Ostdeutsche weniger Bereitschaft zeigen, Psychotherapie in
Anspruch zu nehmen.