Zusammenfassung
Hintergrund Diabetes mellitus ist eine Erkrankung von hoher
Public-Health-Relevanz. Zur Schätzung der zeitlichen Entwicklung der
Prävalenz kommen auch Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung
zum Einsatz. In diesen primär zu Abrechnungszwecken generierten Daten
stellt die Definition von Erkrankungen eine besondere methodische
Herausforderung dar. In der vorliegenden Studie wurde ein Algorithmus zur
Unterscheidung von Typ-1- und Typ-2-Diabetes für die Analyse von
Routinedaten entwickelt.
Methodik Datengrundlage ist eine alters- und geschlechtsstratifizierte
Zufallsstichprobe der Versicherten der Barmer mit einer durchgehenden
Versicherungsdauer von 2010 bis 2018 in der Größenordnung von
1% der deutschen Bevölkerung. Ein Diabetes wurde im Berichtsjahr
2018 definiert als Dokumentation (1) einer gesicherten ICD-Diagnose E10.- bis
E14.- im ambulanten Sektor in mindestens 2 Quartalen, (2) einer gesicherten
ICD-Diagnose E10.- bis E14.- in einem Quartal mit einer zusätzlichen
Antidiabetikaverordnung (ATC-Codes A10) oder (3) einer ICD-Diagnose E10.- bis
E14.- im stationären Sektor, dem ambulanten Operieren oder der
Arbeitsunfähigkeit. Anhand der ICD-Diagnosen E10.- bis E14.- und der
verordneten Arzneimittel, unterschieden nach Insulin und anderen Antidiabetika,
wurden die Personen einem Diabetestypen zugeordnet. Nicht eindeutige oder
widersprüchliche Konstellationen wurden anhand des Alters, der
Häufigkeit sowie überjährigen Betrachtung der
Diagnosedokumentation zugeordnet. Die Einschreibung in ein
Disease-Management-Programm wurde in einer Sensitivitätsanalyse
berücksichtigt.
Ergebnisse Die Prävalenz des dokumentierten Diabetes in der
Stichprobe der Barmer betrug im Jahr 2018 8,8%. Anhand des Algorithmus
konnten 98,5% der Personen mit Diabetes dem Typ-1-Diabetes
(5,5%), dem Typ-2-Diabetes (92,6%) oder einer weiteren
spezifischen Diabetesform (0,43%) zugeordnet werden. Somit ergaben sich
für das Jahr 2018 Prävalenzen von 0,48% für den
Typ-1-Diabetes und 8,1% für den Typ-2-Diabetes.
Schlussfolgerung Bereits anhand weniger Merkmale wie Diagnosen,
Arzneimittelverordnung und dem Alter lässt sich die große
Mehrzahl der Personen mit Diabetes einem Typ zuordnen. In
weiterführenden Studien sollte im Abgleich mit Primärdaten die
externe Validität geprüft werden. So ermöglicht der
Algorithmus die Auswertung wichtiger epidemiologischer Kennzahlen und der
Häufigkeit von Folge- und Begleiterkrankungen auf Basis von Routinedaten
differenziert nach Typ-1- und Typ-2-Diabetes, welche in der Surveillance des
Diabetes zukünftig berücksichtigt werden sollen.