Der Boom aromatisierter weinhaltiger Getränke mit unterschiedlichsten entwickelten Aromaprofile erhöhte den Absatz dieser Getränke in den letzten Jahren. In Anbetracht der Beliebtheit und der Absatzmöglichkeiten dieser Produkte möchten Winzer und Winzerinnen sowie große Kellereien ihr Produktportfolio um aromatisierte weinhaltige Getränke, wie einem eigenen Glühwein erweitern. Die Abfüllung dieser hoch aromatisierten Getränke auf derselben Füllanlage, auf der auch die klassischen Weine abgefüllt werden, kann jedoch rechtliche Probleme für die Hersteller zur Folge haben. Es besteht ein Verschleppungsrisiko zugesetzter Aromastoffe in nachfolgende Weine aufgrund einer Aufnahme und Abgabe in verbauten Dichtung in einer Abfüllanlage. Diese Verschleppung wird anhand des Weingesetzes als ein unzulässiger Aromazusatz eingestuft. Mit der steigenden Anzahl nachgewiesener Fälle von unbewussten Aromaverschleppungen verfasste das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2019 einen Leitfaden, der zwischen einer Aromatisierung und einer unbewussten Verschleppung differenziert. Verschleppte Aromastoffe, die keinen sensorischen Beitrag im Wein aufzeigen, werden darin als technisch unvermeidbares Übergehen (carryover) eingestuft. Erforderliche Methoden zur Beurteilung des sensorischen Beitrags einzelner Aromastoffe in analytisch auffälligen Weinen werden innerhalb des Leitfadens jedoch nicht genannt.Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand in der Betrachtung der Aufnahme und Abgabe von Aromastoffen in Dichtungen während einer Abfüllung aromatisierter Weine, der Evaluation der Einflussfaktoren zur Minimierung des Verschleppungsrisikos sowie der Entwicklung eines Konzeptes zur Erfassung des sensorischen Einflusses einzelner verschleppter Aromastoffe.Zur Beurteilung der sensorischen Relevanz von sieben Aromastoffen, die häufig in aromatisierten Getränken zu finden sind (γ‐Decalacton, γ‐Undecalacton, δ‐Decalacton, α‐Ionon, Ethyl 2‐ methylbutanoat, Eugenol, trans‐Zimtaldehyd), wurden Wahrnehmungs‐schwellenwerte (odor threshold, OT) in Wasser, Modellwein und einem Weißwein bestimmt. Die erfassten Schwellenwerte variierten in den drei Matrices zwischen einem Faktor von zwei bis hin zu vier Größenordnungen. Eine Evaluierung des sensorischen Einflusses des α‐Ionon (Himbeeraroma) in einem Weißwein zeigte auf, dass ein sensorischer Einfluss dieses Aromastoffes erst bei Konzentrationen auftrat, die zehnmal so hoch waren wie die sensorische Wahrnehmungsschwelle in Wein.Mit der Etablierung einer robusten Analysemethode (TD‐GC‐MS) für den direkten Nachweis von Aromastoffen in einer Polymermatrix war es möglich, die Einflussfaktoren zu untersuchen, die die Aufnahme und Freisetzung von Aromastoffen in und aus Dichtungen beeinflussen. In Modellversuchen dieser Arbeit konnte die Abhängigkeit der Aufnahme der Aromastoffe und der exponierten Polymerfläche, der vorliegenden Konzentration sowie der Polarität der Aromastoffe aufgezeigt werden. Mit Hilfe des dekadischen Logarithmus des Octanol‐Wasser‐Verteilungskoeffizienten (log P) konnte die Varianz in der Absorption der Aromastoffe zu 91 % und fortfolgend verschleppte Aromastoffe in einen nachfolgenden Modellwein zu 99 % erklärt werden. Mit zunehmendem unpolaren Charakter der Aromastoffe stieg die Absorption in unpolare polymere Materialien exponentiell an und führte folglich zu einer proportionalen Zunahme des Verschleppungsrisikos.Eine Evaluation der üblichen Reinigungsparameter zwischen den Produktwechseln in einer Füllanlage verdeutlichte, dass die gewählte Reinigungstemperatur und ‐dauer die Abgabe der Aromastoffe an die Reinigungsmittel primär beeinflusst, während die gewählten Reinigungsmedien nur einen sekundären Einfluss hatten. Es konnte ein umgekehrter Effekt zur Absorption gezeigt werden. Polare Aromastoffe wurden von den polaren Reinigungsmitteln effektiver aus der Polymermatrix entfernt. Bei Anwendung niedriger Reinigungstemperaturen von 22 °C wurden längere Reinigungszeiten von bis zu 24 Stunden benötigt, um eine vergleichbare Reinigungseffizienz zu 85 °C über 30 Minuten zu erreichen. Ein vollständiges Entfernen der Aromastoffe war mit einer Reinigung nicht möglich.Die abschließende Untersuchung einer Abfüllung in einem industriellen Maßstab illustrierte eine hohe Aufnahme der Aromastoffe in Dichtungen und einen niedrigen Reinigungseffekt obgleich der umfangreichen Reinigung in den Kellereien. Trotz der analytisch nachweisbaren Aromastoffe in den Dichtungsmaterialien war eine sensorische bzw. analytische Differenzierung der abgefüllten Weine nicht möglich. Die analytisch erfassten Konzentrationen an Eugenol und y‐Decalacton unterschritten die Wahrnehmungsschwellenwerte in Wein, weshalb eine Authentizitätskontrolle hinsichtlich der erfassten Aromastoffe nicht zu einer Beanstandung führen sollte.Die vorliegende Arbeit ist Teil des Drittmittelprojekts „Minimierung von Aromaverschleppung bei der Abfüllung von Wein, Sekt und Fruchtwein ‐ AiF 20220 N”, einem IGF‐Vorhaben der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI), welches von 2018‐2021 über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert wird.