Abteilung B (Abhandlungen) -9. Mai.
R i c h a r d W i l l s t a t t e r , Franz S e i t z und E r w i n B u m m :Zur Methode der Hydrierung mit Natrium-amalgam. (Eingegangen am 21. Marz 1928.) I. T h e o r i e d e r Amalgam-Wirkung.Die Hydrierung durch Natrium-amalgam wurde von A. K e k u l e l ) , H. Kolbe2), A. v o n Baeyer3) und anderen Forschern so erklart, daB das Amalgam durch Wasser zersetzt werde, und daB sich der nascierende Wasserstoff an reaktionsfahige Atomgruppen organischer Verbindungen anlagere. Diese Erklarung beruhte auf der Anschauung, daB im status nascendi der Wasserstoff atomistisch sei, und dafi irgend eine Teilzahl von Atomen vor ihrer Vereinigung zu Molekiilen von xeduzierbaren Stoffen abgefangen werde. Die klassischen Untersuchungen , ,Uber die Konstitution des Benzols" und die spatere Literatur haben aber, worauf vor einigen Jahren aufmerksam gemacht wurde 4), unbeachtet gelassen, daS die Hydrierungen mit Natriumamalgam zu paradoxen Ergebnissen gefiihrt haben. Die verhaltnismafiig gesattigten, namlich permanganat-bestandigen Sauren der Benzolreihe nehmen leicht, namlich nach B a e y e r ,,mit iiberraschender Schnelligkeit" den sog. nascierenden Wasserstoff auf. Die Dihydro-und Tetrahydro-sauren, deren olefinische Natur B a e y e r entdeckt hat, und die er durch ihre Leichtoxydierbarkeit, ihre Unbestandigkeit gegen Permanganat zu kennzeichnen pflegte, sind entweder vollkommen bestandig, reaktions-unfahig gegen den aus Natrium-amalgam nascierenden Wasserstoff, oder sie reagieren, wie die A1-Tetrahydro-terephthalsaure, nur auBerst trage mit ihm. Hingegen treten bei der Hydrierung der aromatischen Stoffe durch Wasserstoff, der durch Katalysatoren aktiviert wird, keine ungesattigten Zwischenprodukte auf. Bei dieser Methode addieren die Benzolderivate vie1 langsamer als olefinische Verbindungen. Die ungesattigten Dihydro-und Tetrahydro-verbindungen aber sind gegeniiber Platin und Wasserstoff wirklich ungesattigt, wie die Theorie es verlangt. Das Wesen der Natrium-amalgam-Hydrierung ist noch ratselhaft .Urn die Wirkungsweise des Natrium-amalgams genauer kennen zu lernen, mu13 man, was nie geschehen zu sein scheint, den Verlauf der Reduktionen mit q u a n t i t a t i v e n Messungen verfolgen. Wir teilen zu diesem Zweck l) Ann. Suppl. 1, 129 [1861], u. zw. S. 133. *) vergl. besonders die Arbeit von M. Herrmann aus K o l b e s Laboratorium: ,,ffber die Einwirkung des nascierenden Wasserstoffs auf Benzoesaure", A. 132, 75 [1864]. s, A. 269, 145 [1892], u. zw. S. 170f., 174. 4, R. W i l l s t a t t e r und E. Waldschmidt-Leitz, B. 54, 113 [1921], u. zw. s. 120. Berichte d. D. Chem. Gesellschaft. Jahrg. LXI. 58 der Hydrierung mit Natrium-amalgam. 873