Zusammenfassung
Einführung Körperliche Geschlechtsentwicklungen, die auf chromosomaler,
gonadaler und/oder anatomischer Ebene untypisch verlaufen, werden als
Intergeschlechtlichkeit, Varianten der Geschlechtsentwicklung, Intersex,
Intersexualität, Variationen der körpergeschlechtlichen Merkmale und Störungen
der Geschlechtsentwicklung bezeichnet. Sie sind alternative Oberbegriffe für
eine Reihe verschiedener Besonderheiten der somatosexuellen Entwicklung, für die
in der Literatur unterschiedliche Angaben über deren Häufigkeiten kursieren.
Forschungsziele Der Beitrag präsentiert eine Übersicht über aktuelle
Angaben zur Häufigkeit und identifiziert Faktoren, welche die Festlegung einer
Zahl zur Inzidenz bzw. Prävalenz von Varianten der Geschlechtsentwicklung
erschweren.
Methoden Es wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken
Medline, Web of Science und PsycINFO durchgeführt.
Dabei wurden englisch- und deutschsprachige Studien von 2000 bis 2017 erfasst,
die sich mit der Inzidenz von Varianten der körpergeschlechtlichen Entwicklung
beschäftigen. Aus den Ergebnissen wurden relevante Treffer ausgewählt, anhand
derer aktuelle Zahlen zur Häufigkeit, unterschiedliche Methoden der
Häufigkeitserhebung sowie Probleme bei der Ermittlung der Zahlen
herausgearbeitet wurden.
Ergebnisse Die analysierten Studien geben Zahlen zwischen 0.018 % und 2.1
% bzw. 3.8 % aller Geburten als Gesamthäufigkeit von Varianten der
Geschlechtsentwicklung bzw. des urogenitalen Systems an. Diese hängen stark von
der Definition und den eingeschlossenen Formen ab. Die Seltenheit einiger Formen
und die kritikwürdigen Untersuchungsmethoden erschweren die Erhebung belastbarer
Ergebnisse.
Schlussfolgerung In der Forschung zur Intergeschlechtlichkeit sollte eine
transparente, respekvolle und präzise Sprache als Grundlage für einen
konstruktiven Diskurs über geschlechtliche Vielfalt eingesetzt werden, auch um
Kooperationsprojekte zu stärken. Die angenommene Dunkelziffer der nicht
erfassten oder diagnostizierten Fälle sollte nicht unterschätzt werden.