Auch mehr als zweihundert Jahre nach der Entdeckung des Elementes Bor gibt es auf viele grundlegende Fragen in der Festkörperchemie von Bor noch keine eindeutigen Antworten. In jüngster Zeit zeigten theoretische Arbeiten zur Stabilität und Existenz bekannter und neuer Modifikationen des Elements in Verbindung mit Hochdruck‐ und Hochtemperaturexperimenten neue Aspekte. Auch auf dem Gebiet der Reaktionen von Bor mit Hauptgruppenelementen hat sich in den letzten Jahren viel getan. Aufsehen haben binäre Verbindungen wie B6O, MgB2, LiB1−x, Na3B20 oder CaB6 erregt, aber auch die elektronenpräzisen, farblosen Boridcarbide Li2B12C2, LiB13C2 und MgB12C2 sowie Graphit‐analoges BeB2C2 verdienen besonderes Augenmerk. Physikalische Eigenschaften wie Härte, Supraleitfähigkeit, Neutroneneinfangquerschnitt und Thermoelektrizität machen borreiche Verbindungen auch für Materialforschung und Anwendung attraktiv. Die größten wissenschaftlichen Herausforderungen bestehen jedoch weiterhin in der Synthese einphasiger Produkte in makroskopischen Mengen und in Form von Einkristallen, in der zweifelsfreien Identifizierung und Bestimmung von Zusammensetzung und Kristallstruktur sowie im Verständnis der elektronischen Situation. Verknüpfte Polyeder sind das dominierende Strukturelement in borreichen Verbindungen der Hauptgruppenelemente. In vielen Fällen leiten sich deren Strukturen von denen ab, die den Elementmodifikationen zugeschrieben werden. Auch diese bedürfen allerdings einer neuen, kritischen Durchsicht und Diskussion.