Die Organokatalyse hat in den letzten zehn Jahren eine atemberaubende Entwicklung vollzogen. Anfänglich limitiert auf wenige exotische und mechanistisch kaum verstandene Reaktionen, hat sich dieses Forschungsgebiet zu einer der drei Säulen der asymmetrischen Katalyse entwickelt und ergänzt nun Bio-und Metallkatalyse.[1] Besonders aufregend waren die Fortschritte in der Aminokatalyse [2] -von primären und sekundären Aminen katalysierte Reaktionen, die über Enamine und Iminium-Ionen als Zwischenstufen verlaufen. Doch wo liegt der Ursprung der Aminokatalyse? Und warum erblüht dieses Feld erst jetzt und nicht bereits viel früher?Hier werde ich zurückblicken auf die Ursprünge der Aminokatalyse und deren Entwicklung im Verlauf des letzten Jahrhunderts und dabei möglicherweise einige Überra-schungen enthüllen.
Die Knoevenagel-Reaktion und der AldolaseMechanismusIm Allgemeinen basieren Enzym-Mechanismen auf chemischen Experimenten und daraus resultierenden Schlussfolgerungen. Auch die Aldolasen stellen hier keine Ausnahme dar. Während seiner Arbeiten über Aminokatalyse in der Biologie, die zur Formulierung des Klasse-I-Aldolase-Mechanismus beitrugen, war sich Westheimer stets bewusst über die synthetisch-organischen Hintergründe seiner Vorschläge. Seine Studien über den Mechanismus der Amin-katalysierten Retro-Aldol-Reaktion führten zu dem Schluss, dass IminiumIon-und Enamin-Intermediate beteiligt sind, aber auch zur Realisierung, dass "die Idee eines Ketimins als Intermediat in Aldol-verwandten Kondensationsreaktionen nicht neu ist".[3] Doch auf wessen Vorstellungen bezog er sich hier? Es waren die Ideen des organischen Chemikers Emil Knoevenagel (Schema 1). Lange Zeit, bevor Details der Chemie der Aldolasen bekannt waren, hatte Knoevenagel entdeckt, dass primäre und sekundäre Amine sowie deren Salze die Aldolkondensation von b-Ketoestern bzw. Malonaten mit Aldehyden und Ketonen katalysieren.[4] Er beobachtete, dass seine Amine wirkliche Katalysatoren ("Contactsubstanz") waren, und er erzielte, selbst gemessen an heutigen Standards, bemerkenswert hohe Durchsatzzahlen. Noch bemerkenswerter jedoch ist, dass Knoevenagel zwar naturgemäß noch nicht den modernen Katalysezyklus in Schema 1 entwickelte, aber mit Iminen -und im Fall der b-Ketoester auch mit Enaminendie selben Intermediate vorschlug, die Westheimer später auch in seinen Retro-Aldol-Studien postulierte.