ZusammenfassungDas Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit gilt als fundamentales Motiv menschlichen Handelns und ist auch für das schulische Lernen von Bedeutung. In einem individualisierten Unterricht, der sich durch einen hohen Anteil selbstgesteuerter Einzelarbeit und eine starke Ausdifferenzierung von Methoden, Materialien und Aufgaben auszeichnet, könnte es sich als Herausforderung gestalten, alle Schüler:innen sozial einzubinden. Ein an den Schüler:innen orientierter individualisierter Unterricht sollte jedoch sowohl die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen wie auch das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit der Schüler:innen im Blick haben. Die vorliegende Studie setzt hier an und untersucht anhand der Experience-Sampling-Methode, inwiefern die Schüler:innen sich im individualisierten Unterricht an Grundschulen, die den Deutschen Schulpreis gewonnen haben, sozial eingebunden fühlen und ob dies mit einer individualisierten Unterrichtsgestaltung auf der Oberflächenstruktur des Unterrichts (Differenzierung der Aufgaben, autonome Aufgabenbearbeitung und selbstgesteuertes Lernen) und Merkmalen der Tiefenstruktur des Unterrichts (kognitive Aktivierung, Klassenführung, konstruktive Unterstützung und Gemeinschaftsgefühl) zusammenhängt. Dazu wurden 237 Schüler:innen der dritten und vierten Jahrgangsstufe aus 22 Klassen mit Tablet-Computern ausgestattet und über eine Woche hinweg durchschnittlich ~10,12-mal nach einer Unterrichtsstunde gefragt, wie wohl sie sich mit ihren Mitschüler:innen fühlten, um die situative soziale Eingebundenheit zu erfassen. Die Lehrkräfte entschieden dabei selbst, wann die Testung durchgeführt wurde. Zunächst wurde untersucht, inwiefern die soziale Eingebundenheit innerhalb und zwischen Schüler:innen sowie zwischen Unterrichtsstunden und zwischen Klassen variiert. Es zeigte sich, dass die meiste Varianz innerhalb und zwischen Schüler:innen lag. Darüber hinaus konnten positive Zusammenhänge zwischen der sozialen Eingebundenheit und Merkmalen einer individualisierten Unterrichtsgestaltung (autonome Aufgabenbearbeitung) sowie Merkmalen der Unterrichtsqualität (konstruktive Unterstützung und Gemeinschaftsgefühl) auf Ebene der Schüler:innen sowie der Klassen gefunden werden. Die Studie liefert erste Erkenntnisse über die Variabilität der sozialen Eingebundenheit im individualisierten Unterricht und hebt die Bedeutung einer positiven Beziehung zwischen der Lehrkraft und den Schüler:innen sowie den Schüler:innen untereinander hervor.