Aus dem komplexen Gebiet der Begutachtung von Patienten, bei denen in der Anamnese eine bösartige Erkrankung bekannt ist oder die momentan konkret an einer solchen Erkrankung leiden, sollen hier die Beurteilung nach dem Schwerbehindertengesetz, die Möglichkeiten der Rehabilitation bzw. der Berentung, des Eintritts in eine Lebensversicherung oder eine Krankenversicherung sowie die Frage nach berufsbedingten Krebserkrankungen besprochen werden. In zunehmendem Maße werden in dieser Diskussion auch die neuen Verfahren der genetischen oder biochemischen Risikoevaluierung wichtig. Schließlich stellt sich auch noch die Frage nach dem Risiko dessen, der als Gutachter tätig wird.
Schwerbehindertengesetz (SchwbG)Das Schwerbehindertengesetz geht von einer ᭤"Heilungsbewährung" aus, d.h. daß bei der Entscheidung über den Grad der Behinderung (GdB) die Heilungsaussichten bei der jeweiligen Tumorerkrankung und dem jeweiligen Ausbreitungsstadium gebührend zu berücksichtigen sind. Dies führt zur ᭤ prognoseorientierten Beurteilung nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung.Bei malignen Erkrankungen bzw. Tumorstadien mit günstigerer Prognose (≥50% Heilungschancen) beträgt der GdB für die meist auf 5 Jahre festgesetzte Zeit der "Heilungsbewährung" 50% und für die mit ungünstigerer Prognose (<50% Heilungsrate) zwischen 60 und 80%. Erst nach Ablauf dieser "Heilungsbewährung" mit einer gegenüber dem tatsächlichen Ausmaß erhöhten GdB wird die individuelle Einstufung vorgenommen. Bei kurativ behandelten und prognostisch günstigen Fällen ohne Folgeerkrankungen wird evtl. bis auf 0 % reduziert, bei den ungünstigen Fällen halbiert. Tabelle 1 zeigt die Einstufungen nach dem Schwerbehindertengesetz.
GdB nach Knochenmarktransplantation bzw. Hochdosistherapie mit StammzellschutzNach allogener Knochenmarktransplantation beträgt die GdB zunächst für 3 Jahre 100%. Danach erfolgt die Einstufung je nach dem Ausmaß feststellbarer Symptome z. B. bei einer "Graft-vs.-Host-Krankheit" oder anderer Organschäden. Nach einer hochdosierten Chemotherapie mit anschließendem Schutz durch Reinfusion autologer Blutstammzellen wird nach einer Kuration analog der zugrundeliegenden Erkrankung verfahren: Abwarten der Heilungsbewährung, danach generell mindestens 30 % GdB bzw. Neueinstufung entsprechend der tatsächlichen Behinderung [25]. Urologe [B] 1997 · 37:614-625 © Springer-Verlag 1997 Redaktion M.Ziegler, Homburg/ Saar in Zusammenarbeit mit J.W.Thüroff,Wuppertal, Vorsitzender der Fort-und Weiterbildungskommission der Deutschen Urologen Die Beiträge der Rubrik "Weiterbildung" sollen dem Wissensstand der Facharztprüfung für den Urologen entsprechen und zugleich dem Facharzt als Repetitorium dienen. Die Rubrik beschränkt sich auf klinisch gesicherte Aussagen zum Thema. Der Urologe [B] 6·97 | 615 How do do Begutachtung Tabelle 1 Grad der Behinderung (GdB) nach Schwerbehindertengesetz (SchwbG) für die Zeit der Heilungsbewährung kurativ behandelter maligner Erkrankungen [15, 22] Krebserkrankung Stadien GdB 1