ZusammenfassungGestationsdiabetes (GDM) wird als Glukosetoleranzstörung definiert, die erstmals in der Schwangerschaft festgestellt wird. GDM ist mit einer erhöhten feto-maternalen Morbidität sowie Langzeitkomplikationen bei Mutter und Kind assoziiert. Frauen, die die Kriterien eines manifesten Diabetes mellitus bereits in der Frühschwangerschaft erfüllen (Nüchternplasmaglukose ≥ 126 mg/dl, Spontanglukosemessung ≥ 200 mg/dl oder HbA1c ≥ 6,5 % vor der 20. Schwangerschaftswoche) sollen als Schwangere mit manifestem Diabetes klassifiziert und ebenso behandelt werden. Ein Screening auf unerkannten Typ 2 Diabetes bei der ersten pränatalen Kontrolle wird besonders bei Frauen mit hohem Risiko (Anamnese eines GDM/Prädiabetes, Fehlbildungen, Totgeburt, wiederholte Aborte oder Geburtsgewicht über 4500 g in früheren Schwangerschaften, Adipositas, metabolisches Syndrom, Alter > 35 Jahre, bei Gefäßerkrankungen, Auftreten von Diabetessymptomen wie Glukosurie, ethnische Zugehörigkeit zu Gruppen mit hohem Risiko [arabisch, S und SO-asiatisch, lateinamerikanisch]) empfohlen. GDM wird durch einen oralen Glukosetoleranztest (oGTT, 120 min; 75 g Glukose) oder durch Nüchternplasmaglukose ≥ 92 mg/dl diagnostiziert. Bei hohem Risiko kann ein oGTT bereits im ersten Trimenon sinnvoll sein, zwischen der 24.–28. Schwangerschaftswoche muss dieser Test aber in jedem Fall bei allen Schwangeren mit bis dahin unauffälligen Glukosewerten im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung durchgeführt werden. Nach WHO Empfehlungen basierend auf der „Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome (HAPO) study“ liegt ein GDM vor, wenn die Plasmaglukose nüchtern 92 mg/dl, nach 60 min 180 mg/dl oder nach 120 min 153 mg/dl überschreitet (Internationale Konsensuskriterien). Ein einziger erhöhter Wert ist für die Diagnose ausreichend und bedarf bereits einer strikten Stoffwechselkontrolle. Nach bariatrischer Operation wird aufgrund der Gefahr einer postprandialen Hypoglykämie die Durchführung eines oGTT nicht empfohlen. Alle Frauen mit GDM müssen eine Ernährungsberatung erhalten und ihre Blutzuckerwerte (4 Messzeitpunkte) regelmäßig kontrollieren. Ebenso sollte, falls nicht kontraindiziert, die körperliche Aktivität erhöht werden. Falls die Blutzuckerspiegel nicht im Therapiezielbereich liegen (nüchtern < 95 mg/dl und 1 h postprandial < 140 mg/dl, Evidenzklasse B) soll als erste Wahl eine Insulintherapie initiiert werden (Evidenzklasse A). Neben der mütterlichen Stoffwechselüberwachung sind geburtshilfliche Kontrollen und ein ultraschallgestütztes, fetales Monitoring notwendig, um die mütterliche und fetale/neonatale Morbidität und die perinatale Mortalität möglichst gering zu halten (Evidenzklasse A). Im Rahmen der neonatalen Untersuchungen müssen bei Neugeborenen von Müttern mit GDM Blutzuckerkontrollen erfolgen und bei Erfordernis geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Nach der Entbindung (4–12 Wochen post partum) wird neuerlich die Durchführung eines oGTT (75 g; WHO Kriterien) bei allen Frauen mit GDM empfohlen, um eine über die Schwangerschaft hinaus bestehende Glukosetoleranzstörung auszuschließen. Bei Normalbefund sollen alle 2–3 Jahre regelmäßig weitere Testungen (Nüchternblutzucker, Spontanglukose, HbA1c oder oGTT) erfolgen (Evidenzklasse B). Alle Frauen sollen über ihr deutlich erhöhtes Risiko für Typ 2 Diabetes, das höhere kardiovaskuläre Risiko, sowie über entsprechende Präventionsmaßnahmen, informiert werden. Dazu gehören Lebensstilmaßnahmen, wie Gewichtsreduktion bei Übergewicht, gesunde Ernährung und ausreichend körperliche Aktivität (Evidenzklasse A). Auch die Kinder sollen hinsichtlich einer unauffälligen Entwicklung regelmäßig nachuntersucht werden, da in rezenten Untersuchungen höheres Risiko für Übergewicht und Adipositas sowie erhöhte Glukoseparameter festgestellt wurden. Wenn möglich sollte die gesamte Familie über Lebensstilmaßnahmen zur Aufrechterhaltung/Verbesserung der Gesundheit informiert werden.