Es steht heute außer Frage, daß Rechtsvergleichung sich der funktionellen Methode zu bedienen hat. Nicht der Name der Institute, gesetzlich oder dogmatisch bestimmt, verspricht komparatistische Erkenntnis, sondern ihr Inhalt: die tatsächlich praktizierte Lösung eines bestimmten Problems, so wie die jeweilige Rechtsordnung selbst sie versteht. Das gilt auch für solche rechtsvergleichenden Projekte, deren Ziel die Bestimmung von Regeln für das entstehende Gemeinschaftsprivatrecht ist, die also aus dem diffusen Bereich des Europäischen Privatrechts anwendungsfähige Dogmatik destillieren wollen.Just in diesem Felde zeigt sich, daß es zum Zweck der Gewinnung brauchbarer Normtexte auch hilfreich sein kann, ein anderes Verfahren anzuwenden, nämlich nach Beschreibung des Problems zunächst beim jeweiligen Gesetzeswortlaut anzusetzen (soweit vorhanden). Es ist aufschlußreich, die Brille des auslandsrechtlich nicht vorgebildeten Rechtsanwenders aufzusetzen und einen Blick in das ausländische Gesetz zu werfen, im nächsten Schritt vertieft anhand der jeweiligen Methodologie. Was am praktizierten Recht durch diese Brille nicht sichtbar ist, das ist aus der Sicht eines Rechts, das Transparenz durch dogmatische und systematische Kohärenz anstrebt, schlecht vermittelt.Man kommt so nicht immer zur tatsächlich praktizierten Lö-sung. Wohl aber zeigt sich, wie weit die Divergenz zwischen geschriebenem und angewandtem Recht reicht. Das bedeutet, wenn man mehrere Institute oder mehrere Rechtsordnungen betrachtet und wenn man deren methodologische Eigenheiten und Traditionen beachtet: Man erkennt, welche Formulierungen und systematischen Strukturen sich in bestimmten Zusammenhän-gen bewährt haben und welche nicht. Das aber läßt Schlüsse daraufzu,obdieselben FormulierungeningrößeremZusammen-hang sinnvolle Elemente einer Kodifikation darstellen könnten. In einem Wort: Es geht um die Leistungsfähigkeit des Gesetzes.Der mitgliedstaatliche Rechtsanwender findet sich zunehmend, was das Gemeinschaftsprivatrecht angeht, in ganz ähn-licher Lage wie derjenige, der rätselnd etwa den Code civil zur Hand nimmt. Nur geht es nicht um punktuell anwendbares ausländisches Recht, sondern um integrierende Elemente der eigenen Rechtsordnung. In von Land zu Land unterschiedlicher Intensität geht der kontinentale Rechtsanwender davon aus, daß das Gesetz etwas mit der Wirklichkeit zu tun habe und diese systematisch erkennen lasse; und vom Gemeinschaftsrecht darf er Verständlichkeit in eben diesem Sinne erwarten.Wir haben es also nicht mit einer Konkurrenz zur komparatistischen Grundlinie zu tun, sondern mit einer sinnvollen Ergän-zung. Diese Ergänzung ist leichter in Dissertationen und kleineren Symposien zu pflegen als in den Großprojekten, die in kurzer Zeit zunächst einen status quaestionis sowie prinzipielle Optionen ermitteln und der rechtspolitischen Debatte zur Verfügung stellen müssen. Sie sollte aber nicht vernachlässigt werden, wenn das Gemeinschaftsprivatrecht systematischer werden, wenn es seinen oftmals beklagten "Pointillismus" überwinden will.Es...