Unterrichtsentwicklung ist per definitionem keine bloße Aktualisierung bestehender Praxis, sondern beinhaltet immer normative Ansprüche, Ziele und Gelingenserwartungen an Veränderung und Erneuerung. Eine wesentliche Frage ist dann, auf welche Weise die Notwendigkeiten und Zielrichtungen einer Entwicklung bestimmt werden und welche Rolle dabei die Forschung im Verhältnis zur Praxis einnimmt. Im Beitrag wird zunächst die grundlegende Verwobenheit der Entwicklungsforschung mit einem präskriptiven Optimierungs-, Effizienz- und Einheitsdenken skizziert. Anschließend werden verschiedene Ansätze der Unterrichtsentwicklung im deutschsprachigen Raum (empirische Bildungsforschung, didaktische Entwicklungsforschung, Design-Based Research, Lesson Study) dargestellt. Leitend ist dabei die Frage, wie diese Ansätze wissenschaftliches und schulpraktisches Wissen (nicht) mit Autorität ausstatten und zueinander ins Verhältnis setzen. Von dieser analytischen Perspektive auf bestehende Ansätze und deren Normativität ausgehend, wird aufgezeigt, dass diese von den Lehrpersonen Entwicklung fordern, ihre eigenen Konzepte und Verfahren jedoch tendenziell hypostasieren. Aufbauend auf dieser Kritik werden diskursive Verhältnissetzungen und Autorisierungspraktiken eines eigenen Projektes kollegialer Unterrichtsentwicklung vorgestellt. Dabei wird auf die Übergänge in Begriffen, Perspektiven und Adressierungen im Sprechen über Unterricht fokussiert.
Die Frage nach Normativität wird in der qualitativen Forschung mit Blick auf die Gegenstandsangemessenheit von Theorie, Methodologie, Methode und Fragestellung thematisiert. In diesem Aufsatz überschreiten wir im Feld qualitativer Unterrichtsforschung diese Logik, indem wir am Beispiel zweier allgemeindidaktischer Theorien zusätzlich zu den beobachtungsleitenden Annahmen auch theorieinhärente Wertmaßstäbe auf deren Möglichkeiten und Begrenzungen für forschungspraktische Anschlüsse untersuchen. In der Darstellung dieser normativen Valenzen entlang exemplarischer Analysen liegt unser Hauptaugenmerk auf der Frage, wie die doppelte Normativität der Theorien unseren Blick auf die (Unterrichts-)Wirklichkeit lenkt.
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