Zu Beginn der 60er Jahre treten in der bulgarischen Belletristik Merkmale und Tendenzen auf, die auf ein gewandeltes Funktionsverständnis der Literatur schließen lassen. Sie hängen mit dem Wechsel der Prioritäten im gesellschaftlichen Bewußtsein zusammen, der sich in der hervorgehobenen Rolle und der gestiegenen Bedeutung des Individuums äußert. Ihrerseits spiegelt diese Veränderung den Beginn einer neuen Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung wider, nämlich der der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. In der Literatur dominiert die Orientierung auf das Subjekt, auf die Persönlichkeit, mit dem Ziel ihrer allseitigen Vervollkommnung. Dies schlägt sich sowohl in Thematik und Ideengehalt der Werke, als auch in der subjektivierten, d. h. subjektbezogenen ästhetischen Sicht nieder, die ihrerseits einen subjektiven ästhetischen Stil zur Folge hat. Dementsprechend verändert sich das Genrebild: Der große epische Gesellschaftsroman ist verschwunden, es überwiegen die kleinen Erzählformen, wie die Kurzerzählung, die Novelle, der Erzählzyklus, die Povest und der kleine "Monoroman" (Einpersonenroman). Als erste Vorboten dieser Entwicklungstendenz erschienen Pavel Vezinovs Erzählungen in der Anthologie "ΜΟΜΙΘΤΟ C IJHRYJIKATA" (1963; Der Junge mit der Geige). In ihnen setzte sich der Autor sehr offen und kompromißlos mit kleinbürgerlichen Moralvorstellungen und Verhaltensweisen auseinander. Angeklagt wird das Konsum-und Karrieredenken, welches das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft prägt und die zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört. Dies ist neben der moralischen Verlogenheit und der Aufgabe von postulierten Idealen bei der älteren Generation auch oft eine Ursache für die Generationskonflikte, die Thema mehrerer Erzählungen des Bandes sind. Diese Problematik setzt Vezinov im Erzählungsband ,,/^i.x Ha ββΑβΜπ" (1966; Mandelduft) und später in seinem Kurzroman "MajiKH ceiaeÄHH XPOHHKH" (1978; Kleine Familienchroniken) fort. Immer wieder ist es die an egoistischen Besitzvorstellungen orientierte, ausschließlich wohlstandsbezogene Lebensweise, die einer Kritik unterzogen wird. Begleitet werden Vezinovs Erzählungen aus dem Anfang der 60er Jahre von einer Welle kleiner Lebensbilanzromane. Es handelt sich dabei um Monoromane des Ich-Erzähler-typs, bei denen in der Form von Selbstbekenntnissen das Leben des jeweiligen Haupthelden kritisch beleuchtet und moralisch überprüft wird. Als erster in dieser Reihe erschien 1963 ,,Ηβββτο Ha BejieKa" (Der Himmel über dem Veleka-Fluß) von Diko Fucedziev. Martin Tomov, der Hauptheld, ist mit sich unzufrieden, er fühlt, daß er einiges in seinem Leben falsch gemacht, daß er oft die Augen vor der Wahrheit verschlossen und damit Schuld auf sich geladen hat. Er fährt in sein Heimatdorf zurück, um eine Bilanz seines bisherigen Lebens zu ziehen. Da hier Mensch und Natur schlicht und unverfälscht geblieben sind, hofft er, sie könnten ihm helfen, zu innerer Lauterkeit und Harmonie zurückzufinden. Das ständige Zurückschweifen seiner Gedanken jn die Vergangenheit und in die naturverbunden...
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