ZusammenfassungAls zentrales Problem der qualitativen Sozialforschung erscheint die Frage nach der Konstitution von Bedeutungen. Sowohl Biographieforschung als auch Ethnomethodologie bieten methodische Antworten an, denen zufolge Bedeutungen über immer schon vorhandene Ordnungsstrukturen entschlüsselt werden. In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, eine qualitative Methodologie zu entwickeln, die sich für die Entstehung von Ordnung interessiert. Mit dieser systemtheoretischen Reformulierung einer Methodologie der qualitativen Sozialforschung können dann bekannte Argumentationsfiguren (Narration bzw. kommunikative Kompetenz, Authentizität bzw. recipient design, Prozessstrukturen bzw. Indexikalität) neu gelesen werden, und zwar als Versuch zur Ausschaltung von Kontingenz über die Installation von Gültigkeitskriterien, von zuverlässig interpretierenden Adressaten und von zeitbindenden Speichermedien. Als Resultat dieser Argumentation ergibt sich die Forderung danach, in qualitativen Forschungen Kontingenz selbst zum Thema zu machen, anstatt mit Hilfe von Methoden eine immer schon vorausgesetzte Ordnung zu entdecken. Diese Methodologie wird am Beispiel der Untersuchung von Todesbildern illustriert.
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Das vorliegende Heft der ›Sozialen Welt‹ ist einem Thema gewidmet, das viele Soziologinnen und Soziologen vermutlich schon von vornherein für verfehlt halten. Die Herausgeber haben die Frage gestellt, wie eigentlich eine systemtheoretische empirische Forschung aussehen kann. Die Antwort, die hier präsentiert wird, besteht aus vier positiv begutachteten Beiträgen und zwei von den Herausgebern erbetenen Kommentaren von Hartmut Esser und Hubert Knoblauch. Über das hinaus, wovon die Leserin und der Leser sich selbst überzeugen können, wollen wir hier versuchen, eine kleine Bilanz zu ziehen, um die Bemühungen von Autoren und Kommentatoren entsprechend zu würdigen. Unsere Bilanz setzt zunächst bei den Einwänden der Kommentatoren an und verfolgt deren Kritik dann noch etwas genauer durch die einzelnen Beiträge hindurch.Sowohl Hartmut Esser als auch Hubert Knoblauch kritisieren in ihren statements etwas, was sich mit Esser in dem folgenden Satz zusammenfassen ließe: »…dass die kausalen Vorgänge, die das Verhalten der Akteure bestimmen, wie die Wirkung von Opportunitäten und Restriktionen, Präferenzen und Erwartungen, Frames und Skripten, sich eben nicht dadurch ändern, dass ein ›Beobachter‹ bestimmte ›Zuschreibungen‹ vornimmt und es als ›Handeln‹ ausflaggt oder nicht« (Esser in diesem Heft). Bei Knoblauch klingt dies so: »…dagegen fühle ich mich wieder bestätigt darin, dass die Subjektivität ein bedeutendes Thema auch in den Formen und Bereichen der Kommunikation ist, wo man sie gar nicht erwartet. Deswegen verwundert mich die schroffe Ablehnung von Vorstellungen der Subjektivität umso mehr: Müssen denn auch die Leute, die beobachtet werden, radikale Konstruktivisten sein, damit sie angemessen beobachtet werden können? Sollte die Soziologie nicht Konzepte schaffen, die auch die Semantik der Leute erfasst, ohne wesentliche Aspekte wegzudefinieren?« (Knoblauch in diesem Heft) Mit Esser und gegen Esser möchten wir im Folgenden den soziologischen Handlungsbegriff stärken, indem wir über die konkrete Form, für die Esser sich interessiert, hinausgehen, und auf sehr viel weniger voraussetzungsreiche Varianten des Handlungsbegriffs und entsprechende Kontexte hinweisen. Wir arbeiten damit nicht am gleichen Problem wie Hartmut Esser, versuchen aber deutlicher, als dies bislang geschehen ist, die Konsequenzen dieser empirischen Befunde in die Form einer Erklärung zu bringen. Mit Knoblauch und gegen Knoblauch wollen wir darüber hinaus auch zeigen, dass sich mit dem Konzept der Subjektivität noch viel mehr erklären lässt, als Knoblauch vermutet, wenn man es noch radikaler als die Wissenssoziologie empirisch fasst. Man würde Subjektivität dann nicht als Grundbegriff zugrunde legen und überall vermuten, sondern könnte sich genauer anschauen, wo Phänomene sichtbar werden, die wir theoretisch als Subjektivität (vgl. Nassehi 2007a) kennen. Diese Vorgehensweise ist eigentlich eine sowohl systemtheoretische als auch -mit Bourdieu -praxistheoretische. Was die Kommentatoren an der Systemtheorie so übereinstimmend kritisieren, würde Bourdieu f...
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