Antizipatorische Willensäußerungen hinsichtlich gewünschter und nicht gewünschter Behandlungsformen können die Entscheidungsfindung am Lebensende wesentlich erleichtern [9]. Demoskopische Untersuchungen in Deutschland zeigen, dass immer mehr Menschen Patientenverfügungen (PV) verfassen [20,27]. Repräsentativen Umfragen zufolge besitzen etwa 10% der Allgemeinbevölkerung eine PV, was sich mit Erhebungen in anderen westlichen Ländern deckt [9,20,25].Analog zu manch anderen Staaten in der Europäischen Union [1, 19, 24] erwägt auch der deutsche Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung der PV. Einer der Streitpunkte ist dabei die Frage, wie rechtsverbindlich eine PV sein soll oder darf. Die neuen Gesetze in England und Österreich stellen bestimmte formale und prozedurale Bedingungen auf und differenzieren dementsprechend zwischen unmittelbar rechtsverbindlichen PV (sofern sie diese Bedingungen erfüllen) und bloß beachtlichen PV (sofern sie den Anforderungen nicht genügen) [17,19]. Solche Bedingungen sollen sicherstellen, dass die Rechtsverbindlichkeit einer PV nicht dazu führt, dass deren Verfasser sich ungewollt selbst schaden oder durch Missbrauch Schaden erleiden. Während solche formalen Bedingungen dem Einflussbereich der Verfasser offen stehen und an deren Selbstverantwortung appellieren, trifft dies auf eine andere Art von Bedingungen nicht zu: Bei der so genannten Reichweitenbeschränkung der PV auf irreversibel tödliche Krankheitsverläufe wird die Verbindlichkeitsabstufung an Merkmale wie Krankheit oder Krankheitsphase gekoppelt, die der persönlichen Einflussnahme entzogen sind. Dem Gedanken der Selbstverantwortung entspricht es wiederum, die Verfasser von PV selbst zu befragen, welchen Grad an Verbindlichkeit sie damit intendieren. Die empirische Forschung ist dieser Frage bisher nicht nachgegangen, sondern hat sich darauf konzentriert, die Einstellungen von Ärzten und Richtern zur Verbindlichkeit der PV zu ermitteln [4, 34]. Da aus qualitativen Forschungsstudien bekannt ist, dass PV aus unterschiedlichen Motiven und zu unterschiedlichen Zwecken geschrieben werden [15, 23, 29], ist auch zu vermuten, dass die Verbindlichkeit verschieden stark gewichtet wird. Die vorliegende empirische Untersuchung versucht daher die Frage zu beantworten, welche Bedeutung der Verbindlichkeit von Seiten der Verfasser von PV beigemessen wird. Da es Hinweise darauf gibt, dass eine lebensbedrohliche, unheilbare Erkrankung die Einstellung gegenüber Art und Ausmaß der Therapie am Lebensende verändert [28], soll mit dieser Erhebung auch untersucht werden, ob die Verbindlichkeit der PV für lebensbedrohlich Erkrankte eine andere Relevanz hat als für nicht lebensbedrohlich Erkrankte. Eine weitere Forschungsfrage zielt auf die nicht seltene Konstellation, bei der die tatsächliche klinische Entscheidungssituation nicht vom Originalarbeiten Ethik in der Medizin 1 · 2009 21