Chemische Prozesse spielen im Endlager dann eine Rolle, wenn Wasser in den Endlagerbereich vordringt. Das Ausmaß einer möglichen Radionuklidfreisetzung wird durch eine Vielzahl von radio‐, geo‐ und biochemischen Reaktionen bestimmt. Im unmittelbaren Nahbereich der Abfälle beeinflussen im wesentlichen Radiolysereaktionen und Korrosion von Abfallformen, Behälter‐ und Versatzmaterialien das chemische Milieu. Im Fernfeld können freigesetzte Radionuklide mit gelösten und kolloidalen Grundwasserinhaltsstoffen sowie Mineraloberflächen wechselwirken. Für den Langzeitsicherheitsnachweis eines Endlagers wird mit Hilfe moderner experimenteller und theoretischer Methoden das chemische Verhalten von Abfallbestandteilen aufgeklärt und die Reaktionen durch thermodynamischen Daten quantifiziert.
Dieser erste einer Serie von drei Artikeln führt in den Themenkomplex “Entsorgung radioaktiver Abfälle” ein und benennt damit zusammenhängende gesellschaftliche und wissenschaftliche Fragestellungen. Es wird dargelegt, welche Arten und welche Mengen von radioaktiven Abfällen in Deutschland zu entsorgen sind. Die Autoren stellen die verschiedenen Entsorgungsoptionen dar, die in der Vergangenheit diskutiert wurden und sprechen sich für eine nachsorgefreie Endlagerung in tiefen geologischen Formationen aus. Sie erläutern Grundzüge der Endlagerkonzepte im Kristallingestein, in Tonen und Tonsteinen und im Steinsalz.
Als Wirtsgesteine für die Entsorgung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen werden weltweit Tonstein, Granit und Steinsalz untersucht. Diese Gesteinstypen weisen sehr unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich ihres mechanischen und chemischen Verhaltens auf, insbesondere bei der Einlagerung von wärmeentwickelnden Abfällen. Diese Unterschiede beruhen auf den jeweiligen Bildungsbedingungen: Langsame Sedimentation feinkörniger Minerale aus der Meerwassersäule im Bereich großer Flussmündungen mit anschließender Diagenese (Tonsteine); Kristallisation silikatischer Magmen in den oberen 20 km der kontinentalen Erdkruste bei 700 bis 850°C (Granit) und chemische Fällung von Chloriden und Sulfaten aus eindunstendem Meerwasser in isolierten ozeanischen Randbecken unter ariden Bedingungen der geologischen Vergangenheit (Steinsalz). Granit reagiert vergleichsweise wenig mit wässrigen Lösungen, wenn das Gestein durch radiogene Wärmeentwicklung im Endlager Temperaturerhöhungen ausgesetzt wird. Solche Temperaturveränderung beeinflussen dagegen die mechanischen und die chemischen Eigenschaften von Tonstein und von Steinsalz in erheblichem Maße: In Tonsteinen können die Rückhalteeigenschaften der Schichtsilikate gegenüber potentiell ausgetretenen Radionukliden leiden (Illitisierungsreaktionen), die Plastizität von Steinsalz korreliert mit der Temperatur, was zu einem schnelleren Umschließen von Abfallbehältern führt. Von großer Bedeutung für die Auswahl von einschlusswirksamen Gebirgsbereichen im Steinsalz ist aus chemischer Sicht die Abwesenheit reaktionsfähiger hochsalinarer Lösungen, die je nach Zusammensetzung bei erhöhten Temperaturen mit Teilen der Salzformation wie z.B. Kali‐Flözen reagieren können.
scite is a Brooklyn-based organization that helps researchers better discover and understand research articles through Smart Citations–citations that display the context of the citation and describe whether the article provides supporting or contrasting evidence. scite is used by students and researchers from around the world and is funded in part by the National Science Foundation and the National Institute on Drug Abuse of the National Institutes of Health.