Stefan Hirschauer, Die soziale Konstruktion der Transsexualität. Über die Medizin und den Geschlechtswechsel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993, 364 S., öS 187,20/DM 24,00, ISBN 3-518-28645-5. Das Thema ist auf den ersten Blick ein wenig abseitig, gewiß. Man/frau weiß zwar, daß Transsexuelle Frauen sind, die zu Männern werden und umgekehrt, und möglicherweise fallen dazu noch ein paar Namen ein von mehr oder weniger prominenten Personen, die ihr Geschlecht gewechselt haben. Zumindest der Rezensent war dann aber mit seinem Wissen am Ende. Keine Ahnung, wie so eine Transformation konkret vollzogen wird oder seit wann es dieses Phänomen überhaupt gibt. Ist Transsexualität eine Krankheit oder eine sexuelle Devianzform? Und was bedeutet die Existenz von Transsexualität, also das Wollen und zugleich die praktische Möglichkeit, sein "biologisches Geschlecht" zu wechseln, für die Geschlechterforschung? In welchem Zusammenhang steht Transsexualität mit der zu beobachtenden theoretischen und praktischen Infragestellung der traditionellen Geschlechteridentitäten?Stefan Hirschauer, ein vielversprechender junger Soziologe aus Bielefeld, hat über eben dieses widersprüchliche Phänomen eine bemerkenswerte Studie vorgelegt, die diese und viele andere Fragen beantwortet. Sein materialreiches Buch, das sich in aller Bescheidenheit als nicht-repräsentative Studie von "Fällen" versteht (13), stützt sich freilich auf mehrjährige umfangreiche empirische Arbeiten (Interviews, Gespräche, Operationsbeobachtungen, etc.) und ist in vier recht heterogene Kapitel unterteilt, die sich auch methodologisch sehr verschieden dem überaus komplexen Thema annähern.Im ersten Teil seiner Analysen nimmt Hirschauer vor der Kontrastfolie von Transsexualität und den für einen gelingenden Geschlechtswechsel erforderlichen Praktiken die alltagsweltliche Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit unter die Lupe. Dabei findet er unter anderem zu einer bemerkenswerten Neuformulierung des Verhältnisses von sex und gender (also von biologischem und sozialem Geschlecht), die zumal für die feministische Forschung von einiger Brisanz scheint. Ähnlich wie in der diskurstheoretisch fundierten Studie von Judith Butler sowie in den wissenschaftshistorischen Arbeiten von Thomas Laqueur oder Claudia Honegger 1 ist auch für Hirschauer die "sicher" geglaubte Kategorie des (biologischen) "sex" als Fundierung einer Differenz der Geschlechter plötzlich fragwürdig geworden und wird selbst als soziale Konstruktion dechiffriert. Das Faktum, daß es zwei Geschlechter gibt, scheint also seinerseits untrennbar mit den historisch gewachsenen Beziehungen konstruierter Geschlechter verbunden.