Das gesprochene Wort ist in der Psychotherapie das zentrale diagnostische und therapeutische Mittel. Zwar besteht ein hoher psychotherapeutischer Versorgungsbedarf bei Geflüchteten, jedoch stellen mangelnde Sprachkenntnisse sowie fehlende Informationen über das deutsche Gesundheitssystem erhebliche Barrieren für eine psychotherapeutische Behandlung dar. Um eine gelingende psychosoziale Versorgung von Geflüchteten zu gewährleisten, ist der Einsatz von DolmetscherInnen daher unentbehrlich.
Zusammenfassung Zielsetzung In der medizinischen und psychosozialen Gesundheitsversorgung Geflüchteter ist der Einsatz von DolmetscherInnen von grundlegender Bedeutung. Durch Einbeziehung eines Dolmetschers verschiebt sich das dyadische Behandler-Patienten-System zu einer Kommunikation in der Triade, für die entsprechende Verhaltensrichtlinien erforderlich sind. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Einbeziehung von DolmetscherInnen in die Sprechstunde der medizinischen und psychosozialen Ambulanz einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete des Landes Baden-Württemberg zu evaluieren. Methode Es wurde eine systematische Erhebung mittels eines Beobachtungsbogens in N=75 Behandlungsfällen mit N=19 BehandlerInnen, N=27 DolmetscherInnen sowie N=75 PatientInnen vorgenommen. Erfasst wurden unter anderem die Sitzpositionen in der Triade, die Art der Verdolmetschung von DolmetscherInnen, die sprachliche Adressierung bzw. Blickrichtung von BehandlerInnen und PatientInnen während der Phasen der Sprachproduktion zueinander oder zu DolmetscherInnen, die Interaktion mit Angehörigen, sowie das Stattfinden von Vor- oder Nachbesprechungen. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass es sich bei den beschäftigten DolmetscherInnen fast ausschließlich um LaiendolmetscherInnen ohne Qualifikation für diesen Beruf handelt. DolmetscherInnen agierten vorwiegend sowohl nach dem Black-Box-Modell als auch eigeninitiiert als KotherapeutInnen, in der Regel jedoch nicht als AnsprechpartnerInnen für kulturelle Aspekte. Überdies konnte beobachtet werden, dass BehandlerInnen die Kommunikation – Blickkontakt und Ansprache – primär zu DolmetscherInnen und nicht zu PatientInnen ausrichteten. Zudem gab es in keiner der untersuchten Sprechstunden eine Vor- oder Nachbesprechung zwischen BehandlerInnen und DolmetscherInnen. Schlussfolgerung Die gelebte Praxis der Einbindung von DolmetscherInnen weicht z. T. erheblich von den Leitlinien gängiger Forschungsliteratur ab. Die vorliegende Studie legt diese Diskrepanzen offen und hat damit Implikationen für die Arbeit von BehandlerInnen und DolmetscherInnen in der Geflüchtetenarbeit.
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