In den letzten Jahren ist die Auseinandersetzung mit Stoff und Material in den Geschichtswissenschaften auf großes Interesse gestoßen. In Abgren- zung zur Geschichte von Objekten und Dingen entwickelte sich daraus eine Stoffgeschichte, die Stoffe sowohl analytisch als auch kategorisch im Feld der Geschichtswissenschaften neu verortet. Die zentrale Forderung, den Stoff in den Mittelpunkt zu rücken, bringt dabei auch der Technikgeschichte neue Möglichkeiten. Wenn technische Entwicklungen und die Ausgestaltung tech- nischer Welten als Auseinandersetzung mit Materialität verstanden werden, wird der Stoff zum Akteur. Dieser Aufsatz widmet sich anhand des Beispiels der Kohlenwäsche und deren Entwicklung im deutschen Bergbau des 19. Jahrhunderts der Frage, wie sich Stoff und Technik zueinander verhalten. Im Zuge der Industrialisierung erfuhr die Steinkohle eine Transformation und ging dabei unterschiedliche Beziehungen ein. Sie lieferte Energie und wurde in den unterschiedlichsten Bereichen unersetzlich. Dabei zeigten sich deutliche stoffliche Unterschiede, die sich auf die Eignung der jeweiligen Kohlensorten für die verschiedenen Prozesse auswirkten. Die Mängel mancher Sorten machten die Aufbereitung als eine Technik der Optimierung technisch relevant und wissenschaftlich interessant. In die- sem Sinn wird die Entwicklung und Erforschung der Kohlenwäsche als eine Möglichkeit für die Steinkohlenaufbereitung als Auseinandersetzung mit dem Charakter der Steinkohle bzw. den Potenzialen und Einschränkungen der Materialität interpretiert. Stoff und Technik interagieren miteinander und konstituieren ein Stoff-Technik-Netzwerk. Der Aufsatz unterstreicht die Wirk- mächtigkeit der Materialität und ist somit auch ein Beitrag zur Diskussion, ob Stoffe agency haben oder nicht.
Der Begriff Industrie 4.0 hat in wenigen Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht. Der deutschsprachige Begriff wurde international rezipiert und adaptiert. Wissenschaftliche Forschungen in unterschiedlichen Fächern machten den Begriff bzw. die damit verbundenen Veränderungen in der industriellen Produktion zum Forschungsobjekt. In den Medien und auf öffentlichen Veranstaltungen verschiedenster Provenienz ist der Begriff ohnehin präsent. Darüber hinaus hat sich die mit dem Schlagwort Industrie 4.0 eingeführte Chiffre 4.0 verselbstständigt und wird -ohne weitere Refl exion über Sinn und Unsinn dieser Zählung -für verschiedenste Bereiche benutzt. Die Rede ist von Arbeit 4.0, Apotheke 4.0, Liebe 4.0, Kirche 4.0 usw. 4.0 wurde mithin zu einem Synonym für Digitalisierung. 1 Einige der neu entstandenen 4.0-Begrifflichkeiten orientieren sich explizit an einer Vierteilung der Zeit und verorten die Gegenwart kurz vor, am Anfang oder inmitten einer vierten Epoche oder Revolution. Dirk Baecker betitelt sein Buch zu einer Theorie des Digitalen nicht nur "4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt" [sic]. Er gliedert die Mediengeschichte zudem in vier Abschnitte: 1.0 als Epoche der Oralität, 2.0 der Schriftlichkeit, 3.0 des Buchdrucks und schließlich 4.0 der Digitalisierung. Die Zahl 4 dient auch hier der historischen Gliederung von Zeit. 2Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wiederum überträgt die Vierteilung der Zeit auf die Geschichte der Arbeit: 1.0 "bezeichnet die beginnende Industriegesellschaft vom Ende des 18. Jahrhunderts und die ersten 1 4.0 ist nicht die erste Zählung, die sich an Versionen orientiert und auf gesellschaftliche Bereiche übertragen wird. Mit Web 2.0. wurde in den 2000er Jahren bereits eine Versionszählung populär, die nicht nur ein neuartiges Web anzeigte, sondern diese Zählweise etablierte und zu vielen neuen Begriffen wie Liebe 2.0, Politik 2.0, Erde 2.0 oder Körper 2.0 führte. 2 Dirk Baecker, 4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt, Leipzig 2018, S. 10. Baecker betont dort ergänzend: "Die Epochen lösen einander nicht nahtlos ab, sondern überlagern und durchmischen sich vielfältig." Und weiter: "Historiker, die zu Recht auf Differenzierung bestehen, kann man nur um Verständnis bitten". Umso irritierender der folgende Satz: "Die Null hinter der Versionsziffer deutet an, dass die These für jede dieser Medienepochen weiter differenziert werden kann und muss" -als könne man historische Differenzierungen über Nummerierungen und eine Verfeinerung von Versionsziffern vornehmen.
No abstract
scite is a Brooklyn-based organization that helps researchers better discover and understand research articles through Smart Citations–citations that display the context of the citation and describe whether the article provides supporting or contrasting evidence. scite is used by students and researchers from around the world and is funded in part by the National Science Foundation and the National Institute on Drug Abuse of the National Institutes of Health.
customersupport@researchsolutions.com
10624 S. Eastern Ave., Ste. A-614
Henderson, NV 89052, USA
This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.
Copyright © 2024 scite LLC. All rights reserved.
Made with 💙 for researchers
Part of the Research Solutions Family.