, erleben die Kulturmittler*innen gegenwärtig vor allem harte Zeiten, oder eröffnen sich auch neue Möglichkeiten? Johannes Ebert: Beides trifft zu. Einerseits leben wir in sehr herausfordernden Zeiten, die uns unter anderem mit einem wachsenden Populismus konfrontieren, der aus Angst vor dem Fremden erwächst, mit einer angespannten Lage in der Türkei und im Nahen Osten, auch mit der Frage, wie wir im Kulturdialog mit den USA die Nähe erhalten. All das sind Entwicklungen, die von Kulturmittler*innen verlangen, neue Wege zu gehen, neue Formen und Formate des Austauschs zu finden und vielleicht auch noch stärker auf Partner*innen zuzugehen, die ein anderes Werteverständnis haben als wir. Auf der anderen Seite ist unsere Art der Kulturvermittlung und des Kulturaustauschs so wichtig, notwendig und gefragt wie nie zuvor. Ronald Grätz: Die politischen Rahmenbedingungen haben sich für Kulturmittler*innen verändert. So, wie wir die Welt medial hauptsächlich durch Konflikte vermittelt bekommen, so reagieren auch wir in der Kulturarbeit mehr und mehr auf Krisen. Wir sind ja nicht nur in den USA, in der Türkei oder in Russland mit Herausforderungen konfrontiert, sondern auch in Europa, wo wir eine Diskussion um Nationalismus und das Erstarken einer neuen Rechten ebenso erleben, wie verschiedene Unabhängigkeitsbewegungen. Wir müssen die gesellschaftlichen Entwicklungen im Blick behalten hinsichtlich der Frage, was aus den Nationalstaaten gerade in Europa wird. Das ist Teil unserer Arbeit, weil sich aus kultureller Perspektive nicht zuletzt eine Tiefenstruktur politischen Verhaltens erkennen lässt. Wir sind in einer Position, in der wir uns zunehmend um Kultur und Menschenrechte kümmern müssen, um Kultur und Freiheitsbegriffe, Kultur und Konfliktbewältigung. Johannes Ebert: Die Kulturarbeit ist insgesamt politischer geworden. Also ist eine Trennung zwischen den Ebenen der Kulturvermittlung und der Kulturpolitik obsolet geworden? Johannes Ebert: Nein. Es ist weiterhin wichtig, Kulturvermittlung von Tagespolitik zu trennen und nicht zu schnell auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass wir auf langfristige gesellschaftliche Prozesse antworten müssen. Unsere Programme und Veranstaltungen-die ja Diskussionen auslösen, das Bewusstsein verändern, Offenheit erzeugen sollen-sind auf nachhaltige Begegnungen und Wirksamkeit ausgerichtet. Diese Unterscheidung ist wesentlich und muss erhalten bleiben. Wir sind allerdings stärker gefordert, auf gesellschaftliche Strömungen einzugehen, die unsere Vorstellung von Freiheit gefährden und damit verbunden unsere Begriffe von Vielfalt, Toleranz und Respekt. Diesbezüglich ist unsere Arbeit dringlicher geworden. Ronald Grätz: Die Antwort auf die Frage, wie politisch Kulturinstitute agieren sollen, hat sich in der Tat etwas verändert. In der Vergangenheit haben wir vor allem mit unserer Arbeit eine Haltung vertreten. Wir haben uns für die Menschenrechte eingesetzt, für die Meinungsfreiheit und für demokratische Grundwerte. Heute zielen die Programme, die wir...